Kurzbesprechung

Einkünftekorrektur bei Produktionsverlagerung auf eine Schwestergesellschaft im Ausland

1. § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes (AStG) tritt gegenüber anderen Einkünftekorrekturvorschriften (hier: § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes ‑‑KStG‑‑) grundsätzlich zurück und kommt nur dann und insoweit zur Anwendung, als die andere Norm in geringerem Umfang Einkünftekorrekturen anordnet (§ 1 Abs. 1 Satz 3 beziehungsweise 4 AStG).
2. Eine Gesamtbetrachtung einzelner Geschäftsvorfälle (hier: Materiallieferungen sowie rückläufige Erwerbe des bearbeiteten Materials) ist möglich, wenn eine Trennung der Vorgänge dem wirtschaftlichen Gehalt des Geschehens nicht gerecht würde.
3. Zur Berücksichtigung von Materialkosten eines Produktionsunternehmens im Rahmen der Kostenaufschlagsmethode, wenn der Auftraggeber die zu bearbeitenden Materialien zum Einstandspreis an das Produktionsunternehmen verkauft und nach Bearbeitung zurückkauft.
4. § 1 Abs. 1 Satz 2 der Funktionsverlagerungsverordnung (FVerlV) setzt voraus, dass die Funktion ein organischer Teil eines Unternehmens ist, ohne dass ein Teilbetrieb im steuerlichen Sinn vorliegen muss. Dies setzt voraus, dass die Produktion für einen Kunden als eigenständige Produktion im Unternehmen und damit als organischer Teil des Unternehmens angesehen werden kann.
5. Der Einbezug von Plankosten ist am ehesten geeignet, der bei der Ermittlung von Verrechnungspreisen anzuwendenden sogenannten ex-ante-Betrachtung (s.a. § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG) Rechnung zu tragen.
6. Zur Berücksichtigung von Standortvorteilen ist zunächst der Umfang der Standortvorteile zu bestimmen und anhand der jeweiligen Funktionen, Risiken, eingesetzten Wirtschaftsgüter und realistisch verfügbaren Handlungsalternativen eine Aufteilung vorzunehmen.

BFH v. 9.8.2023 - I R 54/19

AStG § 1 Abs 1 S 1, § 1 Abs 1 S 3, § 1 Abs 1 S 4, § 1 Abs 3 S 4, § 1 Abs 3 S 5, § 1 Abs 3 S 9 FVerlV § 1 Abs 1 S 2, § 1 Abs 2 S 1
KStG § 8 Abs 3 S 2


Im Streitfall hatte das FG den einkommens- und gewerbeertragserhöhenden Ansatz von vGA wegen der Höhe der von der Steuerpflichtigen bezahlten Preise für den Erwerb der von ihrer Schwestergesellschaft C bearbeiteten Produkte ohne Rechtsfehler nach Maßgabe eines Fremdvergleichs durchgeführt.

Der sachliche Anwendungsbereich des verdeckte Gewinnausschüttungen regelnden § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist nicht davon berührt, dass es im Streitfall um eine grenzüberschreitende Geschäftsbeziehung zwischen nahestehenden Personen geht und folglich auch der Tatbestand der Einkünftekorrekturvorschrift des § 1 Abs. 1 AStG angesprochen ist. Denn für den Fremdvergleich im Rahmen der vGA gelten im Grundsatz keine anderen Maßgaben als im Rahmen des § 1 Abs. 1 AStG. Für die Rechtslage der Streitjahre ‑ nach Einfügung des § 1 Abs. 3 AStG i.d.F. des UntStRefG 2008 (sogenannter erweiterter Fremdvergleich) ‑ kann jedoch der Prüfungsmaßstab voneinander abweichen, was für jeden einzelnen Geschäftsvorfall gesondert zu prüfen ist.

Das in den Streitjahren geltende DBA-Jugoslawien hinderte weder die Anwendung des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG noch des § 1 Abs. 1 AStG in der vorliegenden Konstellation.

Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die zwischen der Steuerpflichtigen und C tatsächlich vereinbarten Preise für die Erwerbe bearbeiteter Produkte von denjenigen abweichen, die zwischen fremden Dritten vereinbart worden wären, betrifft die dem FG obliegende Tatsachenfeststellung. Zur Ermittlung fremdvergleichskonformer Verrechnungspreise im Rahmen von Lieferungs- und sonstigen Leistungsverhältnissen zwischen verbundenen Unternehmen werden vorrangig die sogenannten transaktionsbezogenen Standardmethoden ‑ Preisvergleichsmethode, Wiederverkaufspreismethode, Kostenaufschlagsmethode ‑ angewendet. Dabei ist die im Einzelfall geeignetste Methode diejenige, mit der der Fremdvergleichspreis im konkreten Einzelfall mit der größtmöglichen Wahrscheinlichkeit seiner Richtigkeit ermittelt werden kann.

Für Veranlagungszeiträume ab 2008 ‑ und damit für die Streitjahre ‑ ordnet § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG den Vorrang der Standardmethoden für den Anwendungsbereich der Korrekturvorschrift des § 1 Abs. 1 AStG ausdrücklich an.

Im Streitfall wurde die Ermittlung der Fremdvergleichspreise für die verfahrensgegenständlichen Erwerbe bearbeiteter Produkte durch das FG allgemeinen Maßgaben im Rahmen der vGA-Bemessung nicht gerecht. Das FG hatte zur Ermittlung der fremdvergleichskonformen Preise für die Erwerbe bearbeiteter Produkte von C an die Steuerpflichtige mit nicht rechtsfehlerfreien Erwägungen die Kostenaufschlagsmethode gewählt. Auch litt die Bemessung des Gewinnaufschlagsatzes von 17 % an einem inhaltlichen Mangel.

Unbegründet war dagegen die Revision der Steuerpflichtigen im Hinblick auf den vGA-Ansatz für die Materialverkäufe der Steuerpflichtigen an C. Das FG hatte zur Ermittlung der fremdvergleichskonformen Preise für diese Materialverkäufe zutreffend die Preisvergleichsmethode gewählt und bei der Ermittlung der fremdvergleichskonformen Preise einen Aufschlagsatz von 5 % auf die Einkaufspreise der Steuerpflichtigen angesetzt.

Aufgrund der rechtsfehlerbehafteten Ermittlung der Fremdvergleichspreise hob der BFH die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies den Streitfall zur weiteren Sachverhaltsermittlung und erneuten Entscheidung an das FG zurück.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 14.12.2023 13:34
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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