Aktuell in der GmbHR

Die Vertretung der Personengesellschaft nach MoPeG (Wertenbruch, GmbHR 2024, 1)

Wesentlicher Bestandteil des MoPeG ist das neue Vertretungsrecht der rechtsfähigen GbR i.S.d. § 705 Abs. 2 Var. 1 BGB. Der Reformgesetzgeber hat zwar bei der Konzeption des Rechts der GbR weitreichend Anleihen genommen beim bisherigen Recht der OHG. Gleichwohl sind die neuen Vertretungsregime nicht in vollem Umfang kongruent. Zudem regelt das MoPeG auch spezielle Vertretungsbefugnisse der Kommanditisten.

I. Einleitung – die neue Gesetzessystematik der Vertretung
II. Das neue Vertretungsmodell der GbR nach § 720 BGB

1. Vertretung der rechtsfähigen GbR i.S.d. § 705 Abs. 2 Var. 1 BGB durch organschaftliche Vertreter – Selbstorganschaft
2. Vertretungsverhältnisse bei der nicht rechtsfähigen GbR i.S.d. § 705 Abs. 2 Var. 2 BGB
3. Organschaftliche Gesamtvertretung nach § 720 Abs. 1 BGB als dispositives Regelmodell
4. Publizitätswirkung der Eintragung im Gesellschaftsregister nach § 707a Abs. 3 Satz 1 BGB i.V.m. § 15 HGB
III. Das dispositive Einzelvertretungsmodell der OHG und KG
IV. Der Umfang der Vertretungsmacht nach § 720 Abs. 3 Satz 1 BGB und § 124 Abs. 4 Satz 2 HGB

1. Grundsatz der Unbeschränkbarkeit
2. Außenwirkung interner Beschränkungen wegen Missbrauchs der Vertretungsmacht – Beweislast
3. Geltung interner Vertretungsbeschränkungen gegenüber Gesellschaftern bei Drittgläubigergeschäften.
V. Die Ermächtigung eines Gesamtvertreters nach § 720 Abs. 2 BGB und § 124 Abs. 2 Satz 2 HGB
1. Funktion und Rechtsnatur der Gesamtvertreterermächtigung – Geltung des § 181 BGB
2. Keine Eintragung der Gesamtvertreterermächtigung in das Gesellschaftsregister bzw. Handelsregister
3. Analoge Anwendung des § 174 BGB auf einseitige Rechtsgeschäfte des ermächtigten Gesamtvertreters i.S.d. § 180 Satz 1 BGB
VI. Wegfall eines Gesamtvertreters
1. Nachträgliche Undurchführbarkeit des vereinbarten Vier-Augen-Prinzips – Tod eines Gesamtvertreters
2. Wegfall eines Gesamtvertreters bei GbR und OHG
3. Wegfall eines gesamtvertretungsberechtigten Komplementärs der KG
4. Ausscheiden eines Gesamtvertreters aus einer zweigliedrigen Personengesellschaft – Anwendung des § 712a BGB
VII. Gemischte Gesamtvertretung nach § 124 Abs. 3 HGB durch Gesellschafter und Prokurist
1. Zulässige Gestaltungsmöglichkeiten – keine gemischte Gesamtvertretung bei der GbR
2. Reichweite der gemischten Gesamtvertretung – Grundstücksgeschäfte
VIII. Der Entzug der Vertretungsmacht nach § 720 Abs. 4 i.V.m. § 715 Abs. 5 BGB und § 124 Abs. 5 HGB
IX. Passivvertretung nach § 720 Abs. 5 BGB, § 124 Abs. 6 HGB und Zustellung nach § 170 Abs. 3 ZPO
X. Die eingeschränkten Vertretungsbefugnisse der Kommanditisten nach § 170 Abs. 1 und § 170 Abs. 2 HGB

1. Ausschluss des Kommanditisten von organschaftlicher Vertretung i.S.d. § 124 HGB und Bestätigung der Kommanditisten-Prokura (§ 170 Abs. 1 HGB)
2. Besondere Vertretungsmacht nach § 170 Abs. 2 HGB bei der Einheits-GmbH & Co. KG
XI. Zusammenfassung


I. Einleitung – die neue Gesetzessystematik der Vertretung

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Im Recht der organschaftlichen Vertretung der OHG durch ihre Gesellschafter und der KG durch die Komplementäre verändert das MoPeG die Tektonik der bisherigen Vorschriften. Die §§ 125, 126, 127 HGB a.F. wurden auf den neuen § 124 HGB verschmolzen, der aus sechs Absätzen besteht. Unter einem Paragraphendach werden nunmehr die Einzelvertretung und die Gesamtvertretung einschließlich Gesamtvertreterermächtigung (Abs. 1 und 2), die gemischte Gesamtvertretung unter Beteiligung eines Prokuristen (Abs. 3), der Umfang der Vertretungsmacht (Abs. 4), die umfassende oder teilweise Entziehung der Vertretungsmacht (Abs. 5) und die Passivvertretung (Abs. 6) geregelt. Für die Komplementäre der KG gilt § 124 HGB über die allgemeine Verweisungsnorm des § 161 Abs. 2 HGB entsprechend.

2
Im Recht der KG schließt § 170 Abs. 1 HGB in Anlehnung an § 170 HGB a.F. die Kommanditisten von der organschaftlichen Vertretung der KG aus, enthält aber eine Bestätigung der Rechtsprechung des BGH bezüglich der Zulässigkeit einer Kommanditisten-Prokura. Die Neuregelung des § 170 Abs. 2 HGB legalisiert zum einen die in der Praxis schon vor Erlass des MoPeG verbreitete Rechtsform der Einheits-GmbH & Co. KG. Zum anderen wird die Stimmrechtsrechtsausübung in der Komplementär-GmbH als bisheriger neuralgischer Punkt dieser Sonderform der KG zum Zwecke der Beseitigung der in Bezug auf die bislang üblichen rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigungen bestehenden rechtlichen Imponderabilien besonders geregelt.

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Für die rechtsfähige GbR (§ 705 Abs. 2 Var. 1 BGB) regelt § 720 BGB umfassend die organschaftliche Vertretung. Das dispositive gesetzliche Regelmodell der Gesamtvertretung weicht aber von dem für OHG und KG geltenden dispositiven Vertretungsmodell des § 124 Abs. 1 HGB ab. Hinsichtlich der Vertretung der rechtsfähigen GbR bestand bis zum 31.12.2023 ein gravierendes legislatorisches Vakuum, das von der irreführenden Vorschrift des § 714 BGB a.F. noch nicht einmal ansatzweise ausgefüllt werden konnte. Denn diese auf dem 1. BGB-Entwurf von 1887 beruhende Vorschrift, nach der ein geschäftsführender Gesellschafter im Zweifel auch ermächtigt war, „die anderen Gesellschafter Dritten gegenüber zu vertreten“, war eine Ausprägung des mit dem Recht der römischen societas übereinstimmenden Einordnung der GbR als reines Schuldverhältnis. § 714 BGB a.F. hatte daher spätestens mit der „Weißes Ross“-Entscheidung des BGH vom 29.1.2001 zur Rechts- und Parteifähigkeit der (Außen-)GbR seine raison d`être endgültig in vollem Umfang verloren.

II. Das neue Vertretungsmodell der GbR nach § 720 BGB

1. Vertretung der rechtsfähigen GbR i.S.d. § 705 Abs. 2 Var. 1 BGB durch organschaftliche Vertreter – Selbstorganschaft

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Nach § 705 Abs. 2 Var. 1 BGB kann die GbR entweder selbst Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, wenn sie nach dem gemeinsamen Willen der Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnehmen soll (rechtsfähige Gesellschaft). „Selbst“ i.S.d. § 705 Abs. 2 Var. 1 BGB bedeutet, dass die GbR im Rahmen der Selbstorganschaft grundsätzlich durch ihre Gesellschafter vertreten wird. Der MoPeG-Gesetzgeber hat die Selbstorganschaft als „systembildenden Grundsatz“ für das gesamte Recht der rechtsfähigen Personengesellschaft übernommen. Einem außenstehenden Dritten kann zwar von der GbR eine rechtsgeschäftliche Vollmacht i.S.d. § 167 BGB erteilt werden, wobei auch eine umfassende Generalvollmacht möglich ist. Bei der Vornahme einer solchen Bevollmächtigung muss die GbR aber durch ihre Gesellschafter vertreten werden, die dann auch für den Widerruf nach § 168 BGB uneingeschränkt zuständig sind. Den missverständlichen, aber immer noch verbreiteten Begriff „Teilrechtsfähigkeit“ übernimmt das MoPeG – in Konkordanz mit der BGH-Entscheidung zur Rechts- und Parteifähigkeit der (Außen-)GbR und der kurz zuvor im Jahre 2000 vom Gesetzgeber erlassenen Vorschrift des § 14 BGB zur „rechtsfähigen Personengesellschaft“ – nicht.

2. Vertretungsverhältnisse bei der nicht rechtsfähigen GbR i.S.d. § 705 Abs. 2 Var. 2 BGB
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Bei der nicht rechtsfähigen GbR i.S.d. § 705 Abs. 2 Var. 2 BGB, also der „Innengesellschaft“, gibt es keine organschaftliche Vertretung der Gesellschaft. Ein geschäftsführender Gesellschafter ist hier jedenfalls kraft Gesetzes auch nicht befugt, die anderen Gesellschafter zu vertreten. Das neue Recht der nicht rechtsfähigen GbR enthält insoweit keine § 714 BGB a.F. entsprechende Nachfolgeregelung. Die für die nicht rechtsfähige GbR einschlägige Verweisungsnorm des § 740 Abs. 2 BGB bezieht sich selbstverständlich nicht auf die für die organschaftliche Vertretung der rechtsfähigen GbR geltende Vorschrift des § 720 BGB. Die Gesellschafter der nicht rechtsfähigen GbR können zwar einem einzelnen oder mehreren Gesellschaftern durch den Gesellschaftsvertrag oder durch separates Rechtsgeschäft eine Vollmacht i.S.d. § 167 BGB und damit auch eine Generalvollmacht erteilen. Insoweit geht es allerdings nur um die Vertretung der einzelnen Gesellschafter, also nicht um die Vertretung der GbR als solcher. In dem Fall, in dem der bevollmächtigte Gesellschafter die GbR als solche und damit als Einheit nach außen vertreten soll, liegt in Wirklichkeit eine rechtsfähige GbR vor, deren Vertretung sich nach § 720 BGB richtet.

3. Organschaftliche Gesamtvertretung nach § 720 Abs. 1 BGB als dispositives Regelmodell
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Zur Vertretung der GbR sind gem. § 720 Abs. 1 BGB alle Gesellschafter gemeinsam befugt, sofern der Gesellschaftsvertrag nicht etwas anderes bestimmt. Die Gesamtvertretung ist also bei der GbR das dispositive gesetzliche Regelmodell. Das in § 124 Abs. 1 HGB verankerte tradierte dispositive gesetzliche Einzelvertretungsmodell der OHG und KG gilt daher für die GbR nicht. Der Grund für diese Disparität ist darin zu sehen, dass ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 08.01.2024 16:15
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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