Weitere aktuelle Rechtsprechung in Leitsätzen (KW 5)

Hier finden Sie die Leitsätze ausgewählter aktueller Entscheidungen aus dem Unternehmensrecht.

BGH 3.8.2023, III ZR 54/22
Keine Entschädigung für coronabedingte Einnahmeausfälle eines Berufsmusikers im „ersten Lockdown“

1. Zur Verhältnismäßigkeit infektionsschutzrechtlicher Veranstaltungsverbote und -beschränkungen (hier: Berufsmusiker) in dem Zeitraum von März bis Juli 2020 zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung des SARS-CoV 2-Virus.

2. Zu den durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtspositionen zählt auch der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb (Bestätigung der Urteile BGH v. 9.12.2004 – III ZR 263/04, BGHZ 161, 305; v. 13.12.2007 – III ZR 116/07, BGHZ 175, 35; v. 11.5.2023 – III ZR 41/22, BeckRS 2023, 10074).

3. Mit infektionsschutzrechtlichen Veranstaltungsverboten und -beschränkungen gehen typischerweise Eingriffe in das beruflich genutzte Eigentum von Gewerbetreibenden einher, die ihre Tätigkeit auf Publikum ausgerichtet haben. Dabei handelt es sich nicht nur um eine Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen für eine unternehmerische Tätigkeit, durch die lediglich künftige Umsatz- und Gewinnchancen gemindert werden (Bestätigung und Fortführung des Urteils BGH v. 11.5.2023 – III ZR 41/22, BeckRS 2023, 10074 Rz. 40).

4. Die durch Art. 5 Abs. 3 GG gewährleistete Kunstfreiheit ist in Fällen, in denen es um den Ausgleich von Erwerbsschäden auf Grund von infektionsschutzrechtlichen Veranstaltungsverboten und -beschränkungen geht, nicht in ihrer immateriellen, sondern in ihrer vermögensrechtlichen Dimension betroffen. Soweit die Kunst beruflich oder gewerblich ausgeübt wird, ist daher die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG maßgeblich.

5. Die Frage, ob für längerfristige existenzgefährdende Maßnahmen ausnahmsweise eine Haftungsgeneralklausel im Infektionsschutzgesetz normiert werden müsste, stellt sich im Rahmen der sozialstaatlichen Bewältigung einer Pandemie nicht (Fortentwicklung des Urteils BGH v. 17.3.2022 – III ZR 79/21, BGHZ 233, 107 Rz. 61 f.).
(alle amtl.)

 

OLG Zweibrücken 9.5.2023, 8 U 161/21
Kündigung der Genussrechte nach österreichischem Recht

1. Die Verschmelzung einer Gesellschaft hat keinen Einfluss auf die mit einer vor Wirksamwerden der Verschmelzung wirksam erklärten Kündigung von Genussrechtsbeteiligungen an jener Gesellschaft ausgelösten Rechtsfolgen, weil dem Anleger die aufgrund der wirksamen Kündigung erlangte gesicherte Rechtsposition durch eine Umwandlung seiner Beteiligung nicht mehr einseitig genommen werden kann.

2. Dies gilt auch dann, wenn der Anleger nach Wirksamwerden der Kündigung erklärt, diese zurückzunehmen, weil aufgrund der durch das Inkrafttreten der Kündigung erzeugten Wirkungen (Umwandlung in ein Rückgewährschuldverhältnis) eine wirksame Rücknahme zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr möglich ist.

3. Die Höhe des Anspruchs auf Prozesszinsen (§ 291 BGB) richtet sich nach dem anzuwendenden materiellen Recht, weil es sich um einen materiell-rechtlichen Anspruch handelt, der durch die Rechtshängigkeit – deren Eintritt sich nach der lex fori bestimmt – lediglich ausgelöst wird.
(alle amtl.)

 

BFH 23.5.2023, VIII R 3/19
Freie Verwendungsentscheidung eines Investmentfonds vor der Einführung von § 3a des Investmentsteuergesetzes 2004 (InvStG 2004)

Ausschüttbare Erträge eines Investmentvermögens aus den in § 1 Abs. 3 Satz 2 InvStG 2004 genannten Einnahmearten, die nach dem Ausschüttungsbeschluss für eine Ausschüttung nicht verwendet werden, können vor Einführung von § 3a InvStG 2004 i.d.F. des AIFM-Steuer-Anpassungsgesetzes nicht zur Vermeidung einer Substanzausschüttung als ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche Erträge behandelt werden (entgegen BMF-Schr. v. 18.8.2009, BStBl. I 2009, 931 Rz. 16).
(amtl.)

 

BFH 25.4.2023, II R 38/20
Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs bei einer Kapitalgesellschaft

1. Die tatsächliche und vollständige Rückgängigmachung i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) setzt grundsätzlich die Löschung einer zugunsten des Ersterwerbers eingetragenen Auflassungsvormerkung voraus.

2. Die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist allerdings nur dann ausgeschlossen, wenn der Ersterwerber bei der Rückgängigmachung des Grundstückserwerbs den aufgrund der Auflassungsvormerkung bestehenden Anschein einer Rechtsposition in seinem eigenen (wirtschaftlichen) Interesse verwertet hat.

3. Ist die Ersterwerberin eine Kapitalgesellschaft, muss sie sich die Interessen ihrer Gesellschafter beziehungsweise Geschäftsführer zurechnen lassen.
(alle amtl.)

 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 30.01.2024 10:28
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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