Jochen Clausnitzer, Rechtsanwalt, Bundesverband Direktvertrieb Deutschland (BDD), Berlin

EuGH: Patentdurchsetzung kann Marktmissbrauch darstellen

Nach dem Unionsrecht soll die Ausübung ausschließlicher Rechte, die mit einem Recht des geistigen Eigentums, wie etwa einem Patent, verbunden sind, gewährleistet werden, zugleich aber auch der freie Wettbewerb erhalten bleiben.

Zu diesem Spannungsfeld hat der EuGH in seinem Urteil vom 16.7.2015 – Rs. C-170/13 – Huawei festgestellt, dass die Erhebung einer Unterlassungsklage durch den marktbeherrschenden Inhaber eines standardessenziellen Patents unter bestimmten Umständen den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung i.S.v. Art. 102 AEUV darstellen kann. Ein standardessenzielles Patent ist ein Patent, dessen Benutzung für jeden Wettbewerber unerlässlich ist, der Produkte herzustellen beabsichtigt, die dem Standard, mit dem es verbunden ist, entsprechen. Voraussetzung für ein standardessenzielles Patent ist außerdem, dass sich sein Inhaber gegenüber der betreffenden Standardisierungsorganisation unwiderruflich verpflichtet hat, Dritten zu fairen, zumutbaren und diskriminierungsfreien Bedingungen, Lizenzen zu erteilen. In seinem Urteil unterscheidet der EuGH zwischen Klagen auf Unterlassung oder Rückruf einerseits und Klagen auf Rechnungslegung und Schadensersatz andererseits. Dabei hat der EuGH festgestellt, dass der Inhaber eines standartessenziellen Patents vor Erhebung einer Klage auf Unterlassung der Beeinträchtigung seines Patents oder Rückruf der Produkte, dem angeblichen Patentverletzer eine konkretes Lizenzangebot unterbreitet haben muss. Ein Marktmissbrauch liegt nach der Entscheidung der luxemburgischen Richter hingegen nicht vor, wenn der angebliche Patentverletzer auf dieses Angebot nicht mit Sorgfalt gemäß den in dem betreffenden Bereich anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten und nach Treu und Glauben reagiert hat. Eine solche Sorgfaltsverletzung sei z.B. im Fall einer Verzögerungstaktik gegeben. Der angebliche Patentverletzer, der das Angebot nicht angenommen hat, kann sich demnach auf den missbräuchlichen Charakter einer Unterlassungs- oder Rückrufklage nur berufen, wenn er innerhalb einer kurzen Frist schriftlich ein konkretes Gegenangebot macht.
Der EuGH hat zudem klargestellt, dass eine Schadensersatzklage oder eine Klage auf Rechnungslegung bei einem behaupteten Patenverstoß unter den vorliegenden Umständen kein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstellt. Diese Klagen hätten nämlich keine unmittelbaren Auswirkungen darauf, ob dem Standard entsprechende, von Wettbewerbern hergestellte Produkte auf den Markt gelangen oder auf dem Markt bleiben.
In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall hatten Huawei und das Unternehmen ZTE Gespräche über die Patentverletzung und die Möglichkeit einer Lizenzerteilung geführt, waren jedoch nicht zu einer Einigung gelangt.

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 03.09.2015 15:31

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