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Prof. Dr. Ulrich Noack

Die dritte „GroKo“ und das Gesellschaftsrecht

Je nach Standpunkt ist es eine gute Nachricht, dass die neue „GroKo“ keine Änderungen im GmbH-Recht plant. Der Koalitionsvertrag erwähnt die häufigste deutsche Rechtsform auf 177 Seiten mit keinem Wort. Damit ist der Kostenfaktor einer Anpassung an neue Normen bis auf Weiteres ausgeschaltet. Zwar mag es hier und da Feinkorrekturen geben, etwa zur leidigen Gesellschafterliste. Größere Reformen, die verschiedentlich gefordert werden, insbesondere zur beurkundungsfreien Transaktion von Geschäftsanteilen, haben bei dieser Lage keine Chance. Und die Blockchain wird uns in dieser Legislaturperiode weder erfreuen noch gruseln. Immerhin hat der Koalitionsvertrag unter der Überschrift „Rechtsfolgen der Digitalisierung“ die Onlineregistrierung von Gesellschaften als Problem entdeckt (s. Teichmann, GmbHR 2018, 1 ff.), das auf europäischer Ebene gelöst werden soll. Das EU-Vorhaben einer SUP ist nicht zuletzt daran gescheitert, dass die vorgesehene Online-Gründung von Deutschland und einigen anderen Staaten abgelehnt wurde.

Wenn wir schon bei Europa sind: Etwas überraschend taucht die Europäische Privatgesellschaft als Projekt wieder auf. Erinnert sei daran, dass diese „Europa-GmbH“ vor etlichen Jahren ebenfalls am Veto Deutschlands gescheitert ist. Der Grund besteht auch heute noch. Nur unter „Wahrung der Unternehmensmitbestimmung“ wird eine CDU/SPD-Regierung diesem Vorhaben nähertreten, wenn es denn von der EU-Kommission je wieder aufgegriffen wird. Damit ist das abermalige Scheitern programmiert.

Der Bedarf an neuen genuin europäischen Rechtsformen ist auch wenig ausgeprägt, wenn es mit der Sitzverlegung bestehender Rechtsträger klappt. Hier spielt der EuGH die erste Geige, der jüngst im Polbud-Urteil (EuGH v. 25.10.2017 – Rs. C-106/16, GmbHR 2017, 1261 m. Komm. Bochmann/Cziupka; dazu auch Teichmann, GmbHR 2017, R356 f. u. Teichmann/Knaier, GmbHR 2017, 1314 ff.) eine ganz große Schneise geschlagen hat. Danach ist die Umregistrierung als Kapitalgesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat nach dessen Rechtsordnung stets möglich, selbst dann, wenn in diesem Staat keine Geschäftstätigkeit entfaltet wird. Der Herkunftsstaat kann daran grundsätzlich keine Sanktionen, keinesfalls die Auflösung, knüpfen. Eine freie nachträgliche Rechtsformwahl in der Union ist danach zu akzeptieren. Das schafft ersichtlich Konflikte mit den Gläubigern, Minderheiten und Arbeitnehmern, die sich in einem fremden Rechtsträger wiederfinden. Daher will die „GroKo“ auf eine europäische Harmonisierung der Regelungen über die grenzüberschreitende Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften, auf eine Sitzverlegungs-Richtlinie, dringen. Dass etwas geschehen muss, liegt auf der Hand. Weder im Kleinen (Prozedur des grenzüberschreitenden Wechsels) noch im Großen (wieder: die Mitbestimmung) herrscht Rechtssicherheit. Indessen liegt es nicht an der deutschen Regierung, die Kommission zu forcieren, die schon jahrelang ohne greifbaren Fortschritt in dieser Sache konsultieren lässt.

Die weiteren Pläne betreffen das Personengesellschafts- und das Aktienrecht. Ersteres soll grundlegend reformiert werden, wozu zunächst eine Expertenkommission eingesetzt wird. Die inkonsistenten Ergebnisse des Deutschen Juristentages 2016 zu diesem Gegenstand haben offenbar keinen Anklang gefunden. Über die Zielrichtung der Reform schweigt das Koalitionspapier, sieht man vom Politkauderwelsch ab, das Recht an ein modernes, vielfältiges Wirtschaftsleben anpassen zu wollen. Man könnte sich vorstellen, die Verhältnisse der Außen-GbR zu ordnen, deren Haftungsrecht an der OHG orientiert ist. Was da eigentlich „außen“ ist, erscheint unklar. Auch eine Registrierung der Gesellschafter dieser GbR ist ein Thema, das nicht nur das Grundbuch und das Halten von GmbH-Geschäftsanteilen betrifft.

Im Aktienrecht kommt als Evergreen wieder auf die Agenda das Recht der Beschlussmängel, welches nach dem Koalitionsvertrag von „Brüchen und Wertungswidersprüche“ bereinigt werden soll. Dies klingt nach einer eher kleinen Reform. Der diesjährige Deutsche Juristentag in Leipzig wird sich übrigens mit dem Beschlussmängelrecht auch der GmbH befassen und hoffentlich Anstöße für den Gesetzgeber liefern. Die formalen Nichtigkeitsgründe gehören auf den Prüfstand. Dass eine unterlassene Protokollnotiz über das Handaufheben bei der Abstimmung die Beschlüsse nichtig machen kann (so BGH v. 10.10.2017 – II ZR 375/15, ZIP 2017, 2245), ist schwer verständlich. Im Freigabeverfahren, das manche auch bei der GmbH anwenden wollen, ist vieles vertrackt geregelt. Hier besteht jedenfalls ein Betätigungsfeld für Reformer.

Blickt man auf diese Ankündigungen zum Gesellschaftsrecht (zu den steuerrechtlichen s. Levedag, GmbHR 2018, R70 – in dieser Ausgabe), so ist der nüchterne Eindruck vorherrschend, den nicht Wenige von der dritten „GroKo“ insgesamt haben: das Bestehende wird verwaltet, im besten Falle ein wenig fortentwickelt.

Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 27.02.2018 12:38