13 / 2018

Claudia Kothe-Heggemann

Die dritte „GroKo“ und das Arbeitsrecht

Im Koalitionsvertrag vom 16.1.2013 hatte die damalige Große Koalition unter „Punkt 2, Vollbeschäftigung, gute Arbeit und sozial Sicherheit“ Neuerungen zu arbeitsrechtlichen Themen vereinbart (vgl. Kothe-Heggemann, GmbHR 2014, R65 f.).

Nachdem die letzte Regierung unter der Großen Koalition danach wesentliche und richtungsweisende Änderungen im Arbeitsrecht einführte – es sei beispielhaft nur auf das Mindestlohngesetz verwiesen –, stellt sich nunmehr erneut die Frage, welche Vorhaben der aktuellen Bundesregierung auf den Arbeitsrechtssektor zukommen. Ein Referentenentwurf liegt inzwischen vor (www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/koalitionsvertrag_2018.pdf?file=1).

Dieser Beitrag soll einen Überblick darüber geben, welche Veränderungen im Arbeitsrecht aufgrund des Koalitionsvertrags bevorstehen und wie diese sich im Einzelnen auf den Arbeitsmarkt und das Arbeitsrecht auswirken können.


I. Regelungen des Koalitionsvertrags zum Arbeitsrecht

1. Rückkehranspruch in Vollzeit und befristete Teilzeit

Bereits 2013 vereinbarten die Koalitionspartner die Einführung eines – in der Folge jedoch nicht umgesetzten – Rückkehrrechts zur Vollzeitbeschäftigung. Der Koalitionsvertrag hat dieses gescheiterte Vorhaben nunmehr wieder aufgegriffen. Dazu hat die Große Koalition im Koalitionsvertrag (S. 53) bereits Vorgaben vereinbart, die eine „Brückenteilzeit“ ermöglichen sollen.

Der Teilzeitanspruch soll für Unternehmen gelten, die in der Regel insgesamt mehr als 45 Mitarbeiter beschäftigen. Beschäftigt das Unternehmen zwischen 46 bis 200 Mitarbeitern, gebietet eine Zumutbarkeitsgrenze, dass lediglich einem pro 15 Mitarbeitern der Anspruch gewährt werden muss, wobei die ersten 45 Mitarbeiter mitgezählt werden. Darüber hinaus darf der Arbeitgeber den Antrag ablehnen. Ebenso steht ein Ablehnungsrecht zu, wenn die befristete Teilzeit ein Jahr unter- oder fünf Jahre überschreitet. Der Tarifvertrag soll aber Abweichungen hiervon zulassen können. Nachdem die befristete Teilzeit abgelaufen ist, soll der Arbeitnehmer frühestens nach einem Jahr eine erneute Verringerung der Arbeitszeit verlangen können. Während der zeitlich befristeten Teilzeit kann der Arbeitnehmer die vereinbarte Arbeitszeit weder einseitig verlängern noch verkürzen oder zur früheren Arbeitszeit zurückkehren.

Dadurch kann ein Arbeitgeber erheblich in seiner Betriebsorganisation betroffen sein, da zeitlich ein immer wieder anfallender Beschäftigungsbedarf entstehen dürfte, den es zu regeln gilt. Mögliche Instrumente wären Arbeitnehmerüberlassung oder sachgrundbefristete Beschäftigung. Allerdings dürften die Regularien der Arbeitnehmerüberlassung und der sachgrundbefristeten Beschäftigung an ihre rechtlich möglichen Grenzen stoßen. Eine Leiharbeit darf nur für eine Dauer von maximal 18 Monaten vereinbart werden, der Vertretungsbefristung dürfte der Anreiz fehlen, da jedenfalls eine Übernahme des Arbeitnehmers als Perspektive ausscheiden dürfte, wenn der zu besetzende Arbeitsplatz für den aus der befristeten Teilzeit zurückkehrenden Arbeitnehmer freizuhalten wäre.


2. Öffnung des Arbeitszeitgesetzes

Das Arbeitszeitgesetz soll eine Lockerung erfahren (Koalitionsvertrag, S. 52). Indem eine Tariföffnungsklausel aufgenommen wird, sollen tarifgebundene Unternehmen ihre Arbeitszeit flexibler gestalten können. Dadurch sollen Experimentierräume geschaffen werden, um eine selbstbestimmte Arbeitszeit der Arbeitnehmer in der zunehmend digitalen Arbeitswelt zu erproben. Unter diesem Blickwinkel soll insbesondere die wöchentliche Höchstarbeitszeit durch Betriebsvereinbarung flexibler geregelt werden können.


3. Arbeit auf Abruf

Gemäß § 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz können die Arbeitsvertragsparteien vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat. Um ausreichend Planungs- und Einkommenssicherheit in dieser Arbeitsform zu haben, aber auch um einen weiteren Anstieg der Arbeit auf Abruf zu verhindern, sollen die Regelungen zur Arbeit auf Abruf verschärft werden (Koalitionsvertrag, S. 52).

Dabei soll gesetzlich normiert werden, dass der Anteil abzurufender und zu vergütender Zusatzarbeit die vereinbarte Mindestarbeitszeit um höchstens 20 Prozent unterschreiten und 25 Prozent überschreiten darf. Fehlt eine Vereinbarung zur wöchentlichen Arbeitszeit, soll eine Arbeitszeit von 20 Stunden als vereinbart gelten, statt wie bisher von zehn Stunden. Im Krankheitsfall und an Feiertagen soll der Durchschnittsverdienst der letzten drei Monate verpflichtende Grundlage werden. Auch diese Regelung steht wiederum unter dem Motto der Flexibilisierung der Arbeitswelt. Dem Arbeitnehmer soll es unter dem Blickwinkel der digitalen Verbindung ermöglicht werden, mobil und freiverantwortlich zu arbeiten.


4. Einschränkung des Befristungsrechts

Ein besonderes Interesse hatte die SPD an der Vereinbarung zur Beschränkung des Befristungsrechts (Koalitionsvertrag, S. 52). Insgesamt sollen nur noch maximal 2,5 Prozent der Belegschaft sachgrundlos befristet beschäftigt werden, wenn der Arbeitgeber mehr als 75 Arbeitnehmer im Unternehmen beschäftigt. Wird diese Quote überschritten, gilt jedes weitere sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnis als unbefristet zustande gekommen.

Faktisch würde dies wohl zur weitestgehenden Abschaffung der sachgrundlosen Befristung führen; Bei 1000 Arbeitnehmern dürfte der Arbeitgeber nur 25 sachgrundlos befristete Beschäftigte einstellen, alle weiteren sachgrundlos befristeten Arbeitsverträge wären unwirksam und wären als unbefristete Arbeitsverhältnisse zu behandeln.

Die Zulässigkeit der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen soll zusätzlich zukünftig auf 18 statt 24 Monate begrenzt werden. Zudem soll bis zu dieser Gesamtdauer nur noch eine einmalige statt der derzeit geltenden dreimaligen Verlängerung möglich sein.

Darüber hinaus soll eine Befristung unzulässig sein, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein unbefristetes oder ein oder mehrere befristete Arbeitsverhältnisse mit einer Gesamtdauer von fünf oder mehr Jahren bestanden haben. Auf diese Höchstdauer soll eine zuvor erfolgte Arbeitnehmerüberlassung angerechnet werden. Ein erneutes befristetes Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber soll erst nach Ablauf einer Karenzzeit von drei Jahren statthaft sein.

Das Arbeitsrecht sah bisher keine zeitliche Höchstgrenze für Befristungen mit Sachgrund vor. Eingeschränkt wurde dieser Grundsatz nur durch Rechtsmissbrauch. Unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Gesamtdauer der Befristung und der Zahl der aufeinanderfolgenden Verträge, hatte das BAG (BAG v. 18.7.2012 – 7 AZR 443/09) erst bei einer Gesamtdauer von 11 Jahren und 13 aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen Rechtsmissbrauch bejaht.

Eine Ausnahme der Einschränkung des Befristungsrechts besteht bisher wegen der Eigenart der Arbeitsverhältnisse nur für Künstler und Fußballer.

Ob die Einschränkung der Befristungsmöglichkeiten den gewünschten Effekt der unbefristeten Beschäftigung zur Folge hat, erscheint problematisch zweifelhaft. Nimmt der Gesetzgeber dem Arbeitgeber notwendige Planungs- und Einstellungsregularien, ist zwingende Folge nicht unbedingt, dass dieser sodann Arbeitnehmer unbefristet einstellt.


5. Betriebsratsgründung und Betriebsratswahl erleichtern

§ 14a Betriebsverfassungsgesetz sieht das vereinfachte Wahlverfahren des Betriebsrats für Kleinbetriebe vor. Dieses vereinfachte Verfahren soll zukünftig für Betriebe mit 5 bis 100 Arbeitnehmern zwingend gelten. Betriebe mit 101 bis 200 wahrberechtigten Beschäftigten sollen wahlweise das vereinfachte oder das allgemeine Wahlverfahren anwenden dürfen. Durch die Vereinfachung der Betriebsratswahlen will der Koalitionsvertrag gewährleisten, dass vermehrt Betriebsräte gewählt werden, um eine erhöhte Mitarbeitervertretung zu begründen (Koalitionsvertrag, S. 51).


6. Digitale Arbeit 4.0

Von großer Bedeutung ist für die Bundesregierung die Entwicklung der Digitalisierung der Arbeit. In diesem Zusammenhang soll die mobile Arbeit gestärkt werden. Lehnt der Arbeitgeber einen Antrag auf mobile Arbeit ab, soll dem Arbeitnehmer ein Auskunftsanspruch zustehen, um die Gründe der Ablehnung zu erfahren (Koalitionsvertrag, S. 41).

Zusätzlich führt die Digitalisierung zu mehr Transparenz. Folge dessen ist, dass die Sorge des „gläsernen Mitarbeiters“ besteht. Um dem entgegenzuwirken, soll mehr Klarheit über Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien geschaffen werden, insbesondere im Hinblick auf den Schutz der Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten. Im Zuge der Digitalisierung fordert der Koalitionsvertrag mithin die Stärkung des Beschäftigtendatenschutzes (Koalitionsvertrag, S. 42).

Obwohl die Digitalisierung der Arbeit Maßnahmen erfordert, um sich der Entwicklung anzupassen, bleibt der Koalitionsvertrag an dieser Stelle unpräzise.

Dem „Zeitalter der Digitalisierung“ liegt zusätzlich die Weiterbildung im Beruf zugrunde. Der Koalitionsvertrag bestimmt das „Lebensbegleitende Lernen“ zur Grundvoraussetzung, um der immer fortwährenden Digitalisierung der Wirtschafts- und Arbeitswelt erfolgreich zu begegnen. Dazu soll das allgemeine Initiativrecht der Betriebsräte für Weiterbildung weiter gestärkt werden. Die Arbeitsvertragsparteien und der Betriebsrat haben über Maßnahmen der Berufsbildung zu beraten. Bei fehlender Verständigung kann ein Moderator mit dem Ziel angerufen werden, eine Einigung zu erreichen. Ein Einigungszwang soll aber nicht bestehen (Koalitionsvertrag, S. 50 f.).


II. Fazit

Der Koalitionsvertrag vom 7.2.2018 enthält ähnlich wie der vorangegangene Koalitionsvertrag der „GroKo“ eine starke sozialdemokratische Note.

Dabei dürften die angestrebten Änderungen für die Arbeitnehmer unter dem Motto der Flexibilisierung stehen. Die Instrumente, die zur Verfügung stehen sollen, sei es die befristete Teilzeit, die Einschränkung der Befristungsmöglichkeiten von Arbeitsverhältnissen oder die lediglich tarifliche Öffnung der Arbeitszeitregelungen können auf Arbeitgeberseite zur Einschränkung von Unternehmens- und Beschäftigungsorganisationsmitteln führen.

Wie sich die Vorhaben der Regierung auf das Arbeitsrecht konkret auswirken, bleibt abzuwarten. Es steht jedoch fest, dass mit den geplanten Änderungen erheblicher rechtlicher und tatsächlicher Umstrukturierungsbedarf in Unternehmen einhergeht.

Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 10.07.2018 09:32