Aktuell in der GmbHR

Haftungsrisiken für Geschäftsleiter persönlich durch Gewinnabführungsvertrag und Organschaft - Zugleich Besprechung des BFH-Urteils v. 24.10.2018 – I R 78/16, GmbHR 2019, 614 (Walter, GmbHR 2019, 579)

Das FG Münster (Urt. v. 4.8.2016 – 9 K 3999/13 K,G, GmbHR 2017, 265 m. Komm. Walter) hatte erstmals eine Rückstellung für die drohende Haftungsinanspruchnahme einer Organgesellschaft nach § 73 AO für Steuerschulden des insolventen Organträgers als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) qualifiziert. Der BFH hat mit seinem Urteil vom 24.10.2018 – I R 78/16 (GmbHR 2019, 614, in dieser Ausgabe) vollumfänglich die Vorinstanz betätigt. Die Hoffnung auf eine Korrektur des erstinstanzlichen Urteils wurde enttäuscht. Der Senat ging allerdings in den Urteilsgründen mit einer Formulierung noch weit über das FG hinaus. Daraus ergeben sich bisher so nicht erahnte gesellschaftsrechtliche Risiken für die Gestaltung einer Organschaft, die auch die handelnden Personen höchstpersönlich tangieren können.

I. Streitfall und FG-Urteil

II. Hintergrund

III. BFH bestätigt fehlendes Abzugsverbot nach § 10 Nr. 2 KStG

IV. BFH bestätigt aber auch die verdeckte Gewinnausschüttung

V. Wirtschaftliche Folgen des BFH-Urteils

VI. Kritik

1. Gegenargumente blieben unberücksichtigt

2. Nur kausale Mitverursachung durch das Gesellschaftsverhältnis

3. Gesellschafts- und konzernrechtliche Grundlagen negiert

4. Steuerrechtlicher Vorrang der Organschaft vor der vGA negiert

5. Fehlende Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis

6. Das Handeln des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters

VII. Zivilrechtliche Folgen des Urteils und Handlungsempfehlung

VIII. Fazit


I. Streitfall und FG-Urteil
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Organträger-AG kündigte das Finanzamt der (ehemaligen) Organgesellschaft (GmbH) die Haftungsinanspruchnahme für Körperschaftsteuerschulden des Organträgers an. Die Organgesellschaft bildete daraufhin im nächsten Jahresabschluss eine Rückstellung für die drohende Haftungsinanspruchnahme aufgrund der bereits neun (sic!) Jahre zuvor beendeten Organschaft. Anders als das Finanzamt stütze das FG die außerbilanzielle Gewinnerhöhung zutreffend nicht auf § 10 Nr. 2 KStG, nahm aber in Bezug auf die Passivierung einer Rückstellung für die drohende Haftungsinanspruchnahme der Organgesellschaft nach § 73 AO für die Körperschaftsteuerschulden des Organträgers eine vGA der Organgesellschaft an und rechnete den Betrag außerbilanziell gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG wieder hinzu. Dies führte – abgesehen von etwaiger Kapitalertragsteuer – zu demselben steuerlichen Ergebnis, nämlich einem erhöhten steuerlichen Einkommen der Organgesellschaft.

II. Hintergrund
Die ertragsteuerliche Organschaft ermöglicht u.a. einen Liquiditätsvorteil durch die sofortige Gewinn- und Verlustverrechnung innerhalb des Organkreises und den damit verbundenen steuerlich unbelasteten Vermögenstransfer als dem vor allem angestrebten steuerlichen Hauptzweck und vermeidet die Definitivbelastung von Gewinnen bei den Organgesellschaften. Erkauft wird dies mit der zivilrechtlichen Verlustübernahmeverpflichtung durch den Organträger, weswegen z.B. Umwelt- oder Produkthaftpflichtrisiken bei der Tochtergesellschaft gegen eine Organschaft sprechen.

Die daneben bestehende Haftungsverpflichtung der Organgesellschaft für alle Steuern des Organkreises wurde lange Zeit in der körperschaftsteuerlichen Kommentierung meist nur rudimentär gestreift und wird bei der Gestaltung noch immer als fernliegendes Risiko regelmäßig vernachlässigt, zumal gewisse Ermessensschranken den Umfang der möglichen Haftung begrenzen.

Mögliche Haftungsrisiken für den Geschäftsführer der Organgesellschaft persönlich wurden sogar erst jüngst im Zusammenhang mit einem Cash-Pool in Bezug auf die Werthaltigkeit des Verlustausgleichsanspruchs gegenüber dem Organträger erörtert. Ansonsten wurde bisher davon ausgegangen, dass die Überschreitung der Vertretungsmacht der Geschäftsführer beim Abschluss des Gewinn- bzw. Ergebnisabführungsvertrages (EAV) mit Beseitigung der doppelten schwebenden Unwirksamkeit durch den Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung zum EAV und die nachfolgende Eintragung im Handelsregister beendet wird und eine persönliche Haftung des Geschäftsführers ausgeschlossen ist, da der andere Vertragsteil das Fehlen der Vertretungsmacht kennt oder ...

 


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 28.05.2019 14:34
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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