Aktuell in der GmbHR

Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens in GmbH und Personengesellschaften (Meyer, GmbHR 2019, 973)

Ausgehend von der Entscheidung des BGH zur mangelnden Anwendbarkeit von § 179a AktG auf die GmbH entwickelt der Autor eine rechtsformübergreifende Lösung zu den aus dieser Entscheidung folgenden Praxisproblemen in Bezug auf Gegenstände, Mehrheiten und Formerfordernissen von Gesellschafterbeschlüssen in Bezug auf Gesamtvermögensgeschäfte. Danach ist zu differenzieren zwischen Beschlüssen, die lediglich die Geschäftsführungsmaßnahme zum Gegenstand haben und solchen, die den Unternehmensgegenstand bzw. den Zweck der Gesellschaft an das Gesamtvermögensgeschäft anpassen oder die die Grundlage der Liquidation der Gesellschaft bilden.

I. Einleitung

II. Rechtslage in Bezug auf die GmbH

1. Klarheiten für die Praxis

2. Gegenstände möglicher Gesellschafterbeschlüsse

a) Verpflichtungsgeschäft über die Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens

b) Änderung des Unternehmensgegenstandes

c) Auflösung der Gesellschaft

3. Vorwegnahme des Gesellschafterbeschlusses über die Geschäftsführungsmaßnahme in der Satzung?

4. Erforderliche Mehrheiten in der Gesellschafterversammlung und Form der Beschlussfassung

5. Ergebnis

III. Rechtslage in Bezug auf Personengesellschaften

1. KG und OHG

2. Gesellschaft bürgerlichen Rechts

IV. Fazit


I. Einleitung

Der BGH hat in einer Entscheidung vom 8.1.2019 die Frage, ob § 179a AktG analog auf die GmbH anwendbar ist, verneint. Für die Praxis steht damit fest, dass § 179a AktG keine Anwendung auf die GmbH findet. Weiterhin hat der BGH in diesem Urteil erkannt, dass die Verpflichtung zur Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens einer GmbH ein besonders bedeutsames Geschäft ist, zu dessen Vornahme die Geschäftsführung im Innenverhältnis eines zustimmenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung bedarf. Der Mangel eines entsprechenden Beschlusses führt jedoch nach § 37 Abs. 2 Satz 1 GmbHG anders als im Falle von § 179a AktG nicht automatisch zur Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts, sondern lässt dessen Wirksamkeit grundsätzlich unberührt. Der BGH weist jedoch darauf hin, dass die allgemeinen Grundsätze zum Missbrauch der Vertretungsmacht auch in diesen Fällen Anwendung finden. Danach kann der Erwerber aus dem Verpflichtungsgeschäft keine Rechte herleiten, wenn er den Missbrauch der Vertretungsmacht – also den Mangel eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses – kennt oder er sich ihm geradezu aufdrängen muss. Dabei ist es nicht erforderlich, dass das Verpflichtungsgeschäft der Gesellschaft zum Nachteil gereicht, da es um eine Frage der Machtverhältnisse unter den Organen der GmbH geht.

Bei der Verpflichtung zur Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens, die sich phänotypisch häufig als Unternehmenskauf darstellen wird, wird es sich in der Regel dem Käufer geradezu aufdrängen müssen, dass es um ein Gesamtvermögensgeschäft geht. Jedenfalls aus der Sicht des Käufers wird eine GmbH, die das von ihr betriebene Unternehmen veräußert, daher auch hierzu einen zustimmenden Gesellschafterbeschluss fassen müssen, da ansonsten nach den Regeln des Rechtsinstituts des Missbrauchs der Vertretungsmacht davon auszugehen sein dürfte, dass der Käufer aus dem entsprechenden Unternehmenskaufvertrag keine Rechte herleiten kann. Insofern hat sich also gegenüber der zuvor in der Literatur überwiegend propagierten Lehre einer analogen Anwendung von § 179a AktG nichts geändert. Der vom BGH als Leitlinie seiner Entscheidung herangezogene Schutz des Rechtsverkehrs (arg. § 37 Abs. 2 Satz 1 GmbHG) kommt mithin in der Praxis häufig gerade nicht zum Tragen. Dies erkennt allerdings auch der BGH, wenn er ausführt, dass man einen Missbrauch der Vertretungsmacht ohne vorherige Einholung eines zustimmenden Gesellschafterbeschlusses im Falle von Unternehmenskäufen häufig wird „annehmen können, wenn das gesamte Unternehmen als solches übertragen werden soll“.

Jedenfalls nicht ausdrücklich nimmt der BGH zu der Frage Stellung, welche Erfordernisse an den zustimmenden Gesellschafterbeschluss zu stellen sind, insbesondere beantwortet der BGH nicht die Frage, ob der Gesellschafterbeschluss mit einer einfachen oder mit einer qualifizierten Mehrheit zu fassen ist und ob er bestimmten Formerfordernissen, wie notarieller Beurkundung oder gar Eintragung im Handelsregister, genügen muss. Diese Fragen wurden bereits im Zusammenhang mit der analogen Anwendung von § 179a AktG in der Literatur kontrovers diskutiert. Das Urteil des BGH wirft jedoch noch eine andere Frage auf. 1995 hatte der BGH entschieden, dass die Vorgängervorschrift von § 179a AktG n.F., § 361 AktG a.F., dem Rechtsgedanken nach auch auf die Kommanditgesellschaft anzuwenden ist. Insoweit stellt sich nunmehr die Frage, ob der in diesem Urteil aufgestellte Grundsatz noch aufrechtzuerhalten ist, da er der Begründung des BGH in seiner Entscheidung zur mangelnden analogen Anwendung von § 179a AktG auf die GmbH zu widersprechen scheint. All diesen Fragen soll im Folgenden nachgegangen werden. Dabei wird sich zeigen, dass bei sachgerechter Differenzierung der Beschlussgegenstände, ein klares, rechtsformübergreifendes Bild der anwendbaren Regeln erkennbar wird.

II. Rechtslage in Bezug auf die GmbH

1. Klarheiten für die Praxis

Immerhin bringt die Entscheidung des BGH eine ganze Reihe von Klarheiten für die Praxis. So ist nunmehr geklärt, dass § 179a AktG nicht auf die GmbH anzuwenden ist. Gleichwohl bedarf die Verpflichtung zur Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens einer GmbH im Innenverhältnis eines zustimmenden Gesellschafterbeschlusses. Unbeantwortet bleibt dabei die Frage – der hier allerdings nicht nachgegangen werden soll –, wann genau ...

 


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 09.09.2019 08:57
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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