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Ziel erreicht? Außergerichtliche Sanierung bereits ab 1. 1. 2021! (Deppenkemper, ZIP 2020, 2432)

Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Schon zum 1. 1. 2021 soll das neue „Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz“ („StaRUG“) kommen. Damit gibt es erstmals in Deutschland ein Sanierungsverfahren außerhalb des Insolvenzverfahrens. Grundlage ist die am 26. 6. 2019 veröffentlichte Restrukturierungsrichtlinie (RL (EU) 2019/1023 – im Folgenden „RiL“), deren Werkzeuge und Zugangsvoraussetzungen u. a. der Verfasser im Frühjahr in dieser Zeitschrift beschrieben hat (ZIP 2020, 595 und 1041). Daran anknüpfend wird jetzt aufgezeigt, wie der deutsche Gesetzgeber das Restrukturierungsverfahren ausgestaltet und welche Rolle er dem Restrukturierungsgericht zugewiesen hat.

I. Prolog

II. Grundkonzeption

1. Name des Gesetzes

2. Systematik und Aufbau des Gesetzes

3. Verfahrenseinleitung und Verfahrensgegenstand

4. Allgemeine Zugangsvoraussetzungen

5. KMU

III. Stellung und Funktion des Restrukturierungsgerichts

1. Zuständigkeit

2. Amtsermittlung und Hinweis- und Prüfpflichten

3. Vertragsbeendigung, §§ 49 ff. StaRUG

4. Bestellung und Auswahl des Restrukturierungsbeauftragten

5. Festsetzung der Vergütung (§§ 87 – 90, 104 StaRUG)

6. Digitalisierung

IV. Epilog


I. Prolog

Die Restrukturierungsrichtlinie hat der Gesetzgeber bis zum 17. 7. 2021 umzusetzen. 1 Daneben liegt seit Herbst 2018 die Evaluation des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) 2 vor, die zahlreiche Vorschläge zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts macht. 3 Ferner laufen die Maßnahmen des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) 4 voraussichtlich Ende 2020 aus. Mit einem Referentenentwurf vom 19. 9. 2020 5 und dem Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) bereits vom 14. 10. 2020 6 nahm der Gesetzgeber diese Stränge auf und legte in 25 Artikeln einen echten Meilenstein der Gesetzgebung vor. Kernstück des Projekts ist Art. 1 SanInsFoG. Dieser enthält das neue StaRUG. Über dessen Weichenstellungen und Regelungen ist zu streiten.

II. Grundkonzeption

1. Name des Gesetzes

Der Name „Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG)“ ist unnötig lang. Der Begriff „Sanierung“ (lateinisch sanare = gesund machen; heilen, zu: sanus = heil, gesund) umfasst organisatorische und finanztechnische Maßnahmen zur Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit insolventer Unternehmen, mithin auch eine Restrukturierung (zu lateinisch re- = wieder, zurück und struere = bauen). Er geht aber darüber hinaus, weil er begrifflich nicht nur die Maßnahme, sondern auch deren Erfolg umfasst. Im Entwurf kommt dem Begriff „Restrukturierung“ keine eigenständige Bedeutung zu; er wird synonym mit „Sanierung“ gebraucht. Dieser Begriff ist im Übrigen passend eingeführt, z. B. in § 3a EStG, § 8c Abs. 1a KStG, und auch in der Rechtsprechung zur InsO bekannt, z. B. zu § 133 InsO oder § 270b InsO. Der Hinweis auf den beschränkten persönlichen Anwendungsbereich („Unternehmer“) im Namen scheint entbehrlich. Eine prägnantere Bezeichnung wie „Sanierungsordnung“ (SanO) ist daher vorzugswürdig.

2. Systematik und Aufbau des Gesetzes
Das StaRUG 7 besteht aus vier Teilen: Es beginnt mit einem Teil zur Krisenfrüherkennung und zum -management (§§ 1 – 3 StaRUG), lässt als Teil 2 das „Herzstück“, den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen folgen (§§ 4 bis 99 StaRUG), worauf als Teil 3 die Sanierungsmoderation (§§ 100 bis 106 StaRUG) und als Teil 4 Regelungen zu Frühwarnsystemen (§§ 107 f. StaRUG) folgen. Dieser Aufbau des Gesetzes ist nicht gelungen. Er ist unübersichtlich und zu kompliziert.

2.1 „Man muss die Dinge so einfach wie möglich machen. Aber nicht einfacher.“ In Anlehnung an dieses auch für die Gesetzgebung passende Zitat Albert Einsteins kann ein Sanierungsrecht angesichts seines komplexen Gegenstandes nicht so formuliert sein, dass auch interessierte Laien es unmittelbar verstehen können. Der Gesetzentwurf versucht aber erst gar nicht, dem Leser, der keine Spezialist ist und die Diskussion um die Restrukturierungsrichtlinie in allen Einzelheiten kennt, eine Struktur an die Hand zu geben. Während die InsO in ihrem ersten Paragraphen die (neuen) Ziele des Gesetzes nennt – auch die Richtlinie erklärt in Art. 1 Abs. 1 ihren Gegenstand –, beginnt das StaRUG mit drei komplexen Normen zur Krisenfrüherkennung und -management. 8 Der Kenner versteht den Zusammenhang dieser Vorschriften u. a. mit Art. 3, 19 RiL und der Forderung nach einem Frühwarnkonzept (vgl. Art. 3 Abs. 4 RiL). Sie betreffen gerade den Zeitraum vor der Krise, so dass stimmig scheint, sie systematisch vor die Regelungen zur Krisenbeseitigung zu stellen. Der (bisherige) Name des Gesetzes und auch sein Kerninhalt handeln aber von der Restrukturierung. Dazu findet der interessierte Leser im Gesetz zunächst nichts.

Sowohl für das Verständnis als auch eine spätere Auslegung sollte am Beginn des Gesetzes ein Allgemeiner Teil stehen und § 1 das Ziel des Gesetzes formulieren, bestandsfähigen Unternehmen, die zwar wahrscheinlich drohend zahlungsunfähig, aber noch nicht zahlungsunfähig oder überschuldet sind, Instrumente für ihre Sanierung an die Hand zu geben. Dann sollte die Zulässigkeit (dazu unten II 3.3) angesprochen werden. Über eine Brückennorm wie § 31 StaRUG wäre dann auf die einzelnen möglichen Instrumente zu verweisen. Hier wären gerade nicht, wie jetzt in § 31 StaRUG, nur die gerichtlichen Instrumente anzuführen. Damit würde unnötig, den außergerichtlich verhandelten Plan (§§ 19 ff. StaRUG) vor die Instru- Instrumente zu ziehen und dadurch ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 09.12.2020 12:19
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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