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Neuregelung der Eigenverwaltung gemäß SanInsFoG: Mehr Qualität oder „sanierungsfeindlicher Hürdenlauf“? (Frind, ZIP 2021, 171)

Der unter dem 14.10.2020 von der Bundesregierung beschlossene Regierungsentwurf (RegE) zum „SanInsFoG“ („Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechtes“) ist nach Änderungen durch den Rechtsausschuss am 15.12.2020, Beschlussfassung am 17./18.12.2020 in Bundestag und Bundesrat am 29.12.2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden und am 1.1.2021 in Kraft getreten. Das Gesetz enthält nicht nur die Umsetzung der EU-Restrukturierungsrichtlinie mit dem unter Art. 1 vorgelegten „StaRUG“, sondern unter Art. 5 auch verschiedenste Änderungen der InsO, schwerpunktmäßig im Eigenverwaltungs- und Insolvenzplanverfahren. Nachfolgend wird die dortige Neukonzeption der Eigenverwaltung mit Hinweisen zur praxisgerechten Umsetzung durch Berater und Insolvenzgerichte beleuchtet.

I. Neuregelungen zur Eigenverwaltungsantragstellung
1. Die Eigenverwaltungsplanung
2. Bewertung der Anordnungsregelungen
2.1 „Abfederung“ der Pandemiefolgen erfordert „leichten“ Zugang zur Eigenverwaltung
2.2 Ergebnisse der ESUG-Evaluation umgesetzt
2.3 Praxisbefunde zur Notwendigkeit der Konturierung der Eigenverwaltungsplanung
2.4 Umgang des Insolvenzgerichts mit den vorgesehenen Anordnungsvoraussetzungen
2.4.1 Schlüssige und vollständige Eigenverwaltungsplanung
2.4.2 Nachbesserungsauflage/einstweilige vorläufige Sachwaltung
2.4.3 Abwägung vor Ablehnung
II. Neuregelungen zur Sachwalterstellung
1. Arbeitsaufträge für die vorläufige Sachwaltung
1.1 Mögliche weitere ungeregelte Arbeitsaufträge
1.2 Dogmatischer Systembruch Unterstützungsauftrag
2. Vorläufige „starke“ Sachwaltung?
3. Ausnahmefall Sonder-Sachverständiger statt Sonder-Sachwaltung
III. Die Aufhebung der vorläufigen Eigenverwaltung
1. Aufhebungsgründe
2. Antragsrechte
IV. Fazit


Die bisherige Trennung zwischen „normaler“ Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren (bisher § 270b InsO) wird weitgehend (unter Erhalt des „mitgebrachten“ Sachwalters im Schutzschirmverfahren (§ 270d Abs. 2 InsO)) aufgehoben, die Antragsanforderungen und Anordnungsvoraussetzungen wie auch die Verfahrensbeendigung im Eröffnungsverfahren werden enumerativ konturiert, die bisher nur durch Rechtsprechung „geklärten“ Fragen der Masseverbindlichkeitsbegründung und Geschäftsleiterhaftung in der Eigenverwaltung gesetzlich reguliert und die Aufgaben wie auch der Status nebst Vergütung der Bestellungsperson „Sachwalter“ genauer geregelt.

I. Neuregelungen zur Eigenverwaltungsantragstellung

1. Die Eigenverwaltungsplanung

Zentrales Element des Eigenverwaltungsantrags ist künftig die „Eigenverwaltungsplanung“ (§ 270a InsO). Diese hat folgende Pflichtbestandteile zu enthalten:

  • Finanzplanung mit Planungshorizont: Sechs Monate. Darstellung der Finanzierungsquellen für Unternehmensfortführung und Verfahrenskosten.
  • Eigenverwaltungskonzept: Krisenursachendarstellung, Zielvorstellung für das Ergebnis des Eigenverwaltungsverfahrens, hierzu Beschreibung der als tauglich in Aussicht genommenen Maßnahmen. Hierzu Darstellung der Verhandlungen mit den insofern beteiligten Personen (Gläubiger, Gesellschafter, Dritte).
  • Darstellung der Maßnahmen zur Erfüllung insolvenzrechtlicher Pflichten („Eigenverwaltungsfähigkeit“).
  • Darstellung von Mehr- oder Minderkosten im Vergleich zum Regelverfahren.
  • Erklärung über ggfs. Verzug mit der Erfüllung von Forderungen gegenüber öffentlich-rechtlichen Gläubigern, Arbeitnehmern und Pensionsverpflichtungen („nicht verzugszulässige Gläubiger“).
  • Angabe der Inanspruchnahme v. Stabilisierungsanordnungen (§§ 56 ff. StaRUG) innerhalb der letzten drei Jahre.
  • Angaben zur Erfüllung der handelsregisterrechtlichen Offenlegungspflichten.

Die vorgenannte vom Schuldner – ggfs. mittels Dritthilfe – vorzulegende Eigenverwaltungsplanung ist Grundlage der Anordnungsprüfung des Insolvenzgerichts (§ 270b InsO). Sie muss diesem vollständig und schlüssig erscheinen und – ohne nachforschende amtswegige Ermittlungen – dürfen keine Umstände bekannt sein, dass wesentliche Angaben unzutreffend sind. § 270b Abs. 1 Satz 2 InsO sieht eine „einstweilige“ Anordnungsmöglichkeit bei binnen 20 Tagen nachbesserbaren behebbaren Mängeln vor.

Beachtenswert ist die Umkehrung der regelhaft intendierten Eigenverwaltungsanordnung im Falle der Nichterfüllung einzelner Planungselemente: Die eine Nichtdeckung der Kosten ausweisende Finanzplanung, eine im Vergleich zum Regelverfahren deutlich „zu teure“ Eigenverwaltung oder bekannte Umstände, die die Rückstände gegenüber den nicht verzugszulässigen Gläubigern ergeben, ein vorheriges StaRUG-Verfahren mit Stabilisierungsanordnung oder die Nichterfüllung der handelsregisterrechtlichen Pflichten (in einem der letzten drei Jahre) führen zur Umkehrung der eigentlich gesetzlich vorgesehenen Anordnung der (vorläufigen) Eigenverwaltung: Diese erfolgt dann nur a.) bindend bei einstimmiger Zustimmung eines vorläufigen Gläubigerausschusses (sofern ein solcher existent und rasch anhörbar ist; umgekehrt bedeutet ein einstimmiger Negativbeschluss ein bindendes Anordnungsverbot, nur mehrheitliche Zustimmung eröffnet gerichtliches Ermessen) (§ 270b Abs. 3) oder b.) wenn Schuldner bzw. Geschäftsleitung trotz der bekannten Umstände erwarten lassen, ihre Geschäftsführung an den Gläubigerinteressen auszurichten (§ 270b Abs. 2). Bei Antragstellung mit „nur“ drohender Zahlungsunfähigkeit besteht weiterhin die auch bisher (§ 270a Abs. 2 InsO a. F.)schon geltende Hinweispflicht mit Ermöglichung der Antragsrücknahme (nunmehr § 270c Abs. 5 InsO).

2. Bewertung der Anordnungsregelungen
Die Anordnungsregelungen stellen eine deutliche Konkretisierung der bisher gem. § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO a. F. erwähnten „Nachteilsbefürchtung“ dar. Die sogenannte Nachteilsprognose war bisher in der Rechtsprechung nur mit Fallbeispielen und teils unterschiedlicher Bewertung zu konturieren versucht worden. Die ESUG-Evaluation empfahl vor dem Hintergrund der gerade daraus erwachsenden und in der Literatur auch kritisierten Verunsicherung bei der Nutzung des Instruments, die teilweise auch zu nationalem Gerichtsforumshopping führte, gesetzlich klar normierte Anordnungsvoraussetzungen.

Gegen die nunmehr vorgenommene enumerative Konturierung sind teilweise nunmehr Bedenken laut geworden, die Hürden „seien zu hoch“. In erster Linie wird dies begründet vor dem Hintergrund eines prognostizierten „Hereindrängens“ pandemiebedingt wirtschaftlich notleidender Unternehmen in die Eigenverwaltung, die ihrerseits aus verschiedenen Gründen die Restrukturierung mittels StaRUG nicht in Anspruch nehmen können (notwendiger Eingriff in Arbeitnehmerrechte, Verfahren zu kompliziert und/oder zu „teuer“, Unternehmen bereits zahlungsunfähig), und nun ...



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 03.02.2021 10:56
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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