BFH v. 12.11.2020 - V R 22/19

Vorabgewinn als umsatzsteuerbares Sonderentgelt: Regelsteuersatz für Überlassung von Vieheinheiten

Die Überlassung von Vieheinheiten durch einen Gesellschafter an eine Personengesellschaft unter gesellschaftsvertraglicher Vereinbarung eines Vorabgewinns erfolgt gegen Entgelt, wenn der Gesellschafter mit der Zahlung rechnen kann. Die Umsätze aus der Überlassung von Vieheinheiten unterliegen nicht der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG, sondern dem Regelsteuersatz.

Der Sachverhalt:
Streitig ist, ob gesellschaftsvertraglich vereinbarte Vorabgewinnanteile für die Überlassung von sog. Vieheinheiten in den Jahren 2011 bis 2013 (Streitjahre) umsatzsteuerbar sind und der Durchschnittssatzbesteuerung für land- und forstwirtschaftliche Betriebe unterliegen. Der Kläger ist als Land- und Forstwirt mit abweichendem Wirtschaftsjahr vom 1.7. bis 30.6. des Folgejahres tätig; die im Rahmen seines Betriebs ausgeführten Umsätze werden nach Durchschnittssätzen gem. § 24 UStG besteuert. Daneben ist der Kläger mit einem Kapitalanteil von 97 % Komplementär der Kommanditgesellschaft (KG); Kommanditist mit einem Kapitalanteil von 3 % ist A. Die KG betreibt einen landwirtschaftlichen Betrieb mit dem Schwerpunkt Ferkelaufzucht in Form einer sog. Tierhaltungskooperation gem. § 51a BewG.

Für die Überlassung der Vieheinheiten an die KG flossen dem Kläger, der nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG) versteuert, in den Streitjahren 545 € (2011), 650 € (2012) und 600 € (2013) zu. Nachdem die Umsatzsteuer der Streitjahre zunächst antragsgemäß - ohne Berücksichtigung der Entgelte für die Überlassung der Vieheinheiten - festgesetzt worden war, ging das Finanzamt davon aus, dass auch diese Vergütung der Umsatzsteuer zu unterwerfen sei und erhöhte in geänderten Umsatzsteuerbescheiden die dem Regelsteuersatz unterliegenden Umsätze um die für die Überlassung der Vieheinheiten zugeflossenen Beträge.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage nur insoweit statt, als die im Zusammenhang mit der Überlassung der Vieheinheiten angefallenen Vorsteuern steuermindernd berücksichtigt wurden. Im Übrigen wies es die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das FG hat ohne Rechtsfehler entschieden, dass die Überlassung der Vieheinheiten an die KG steuerbar ist und mit dem Regelsteuersatz der Umsatzsteuer unterliegt. Der gerügte Verfahrensfehler liegt nicht vor.

Der unmittelbare Zusammenhang und damit ein steuerbarer Leistungsaustausch liegen nicht vor, wenn die Gesellschafter für ihre Gesellschaft Leistungen erbringen, die als Gesellschafterbeitrag nur im Rahmen der allgemeinen Gewinnverteilung vergütet werden. Diese allgemeine Gewinnbeteiligung ist weder Entgelt für das Halten der Beteiligung noch Entgelt für Tätigkeiten des Gesellschafters. Denn die Gewinnentstehung hängt nicht unmittelbar mit der Leistungserbringung zusammen, sondern ist von einer Vielzahl von Faktoren und damit zumindest teilweise vom "Zufall" abhängig. Ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Leistungserbringung liegt dagegen vor, wenn die Leistung nach ihrem Umfang oder ihrer Menge abgegolten wird. Dies gilt auch bei einer Leistungserbringung gegen Vorabgewinn. So kann ein (pachtähnlicher) Leistungsaustausch gegen Sonderentgelt vorliegen, wenn die Gesellschafter einer GbR ihre land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gegen einen von vornherein feststehenden und jährlich gleichbleibenden "Vorabgewinn" zur Nutzung überlassen.

Vorliegend hat das FG anhand einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände des Einzelfalls zutreffend entschieden, dass die Überlassung der Vieheinheiten an die KG steuerbar ist. Es hat den Gesellschaftsvertrag ausgelegt und dahingehend gewürdigt, dass hierdurch ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Leistung des Steuerpflichtigen (Überlassung von Vieheinheiten) und der hierfür von der KG zu zahlenden Gegenleistung (5 € je Vieheinheit) hergestellt wird, indem die Gegenleistung ausdrücklich vom Umfang des jeweiligen Leistungsbetrages abhängig ist: Der Kläger sollte für seine Gesellschafterleistung grundsätzlich einen "Vorabgewinn" von 700 € pro Wirtschaftsjahr erhalten. Dass dieser Vorabgewinn im Innenverhältnis der Gesellschafter untereinander nicht als Aufwand behandelt wird und auch keine Betriebsausgabe der Gesellschaft darstellt, steht dem nicht entgegen. Denn die Gewinnverteilung beruhte nicht auf vermuteten Gesellschafterbeiträgen aufgrund einer Chancen- und Risikogemeinschaft ("Leistungsvereinigung"), sondern auf tatsächlich erbrachten Beiträgen.

Die erhaltenen Zahlungen waren nicht Ausfluss einer allgemeinen Gewinnbeteiligung, sondern beruhten auf tatsächlich erbrachten Gesellschafterbeiträgen. Schließlich war die gesellschaftsvertragliche Regelung zum Wegfall des Vorabgewinns nicht derart zu gewichten, dass die bewusst geschaffene Abhängigkeit zwischen Gesellschafterleistung und Entgeltzahlung (Vorabgewinn) wieder entfällt und die Überlassung der Vieheinheiten insgesamt als nicht steuerbarer Gesellschafterbeitrag gewürdigt werden muss. Soweit sich die Entgelterwartung des Klägers tatsächlich nicht erfüllte, weil die KG nicht ausreichend Gewinne erwirtschaftete, hat sich der Kläger von vornherein mit einer Minderung des Entgelts einverstanden erklärt. Im Übrigen entsprach die Kürzung des Vorabgewinns auch dem Interesse des Klägers als Komplementär der KG. Denn im Hinblick auf das geringe Gesellschaftskapital bei Gründung (5.000 €) konnte die KG die von vornherein geschuldeten Zahlungen für die Überlassung der Vieheinheiten von insgesamt 2.600 € ohne den teilweisen Entgeltsverzicht nur im ersten Wirtschaftsjahr leisten und wäre danach zahlungsunfähig.

Das FG hat auch rechtsfehlerfrei entschieden, dass die steuerbaren Umsätze des Klägers nicht der Durchschnittssatzbesteuerung, sondern dem Regelsteuersatz unterliegen. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG wird die Steuer für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen, bei denen es sich nicht um die in Satz 1 dieser Vorschrift näher bezeichneten Lieferungen von forstwirtschaftlichen Erzeugnissen oder Leistungen mit Getränken handelt, auf 10,7 % festgesetzt. Die streitige Überlassung von Vieheinheiten betrifft keine in landwirtschaftlichen Betrieben erzeugten Gegenstände i.S.d. Art. 295 Abs. 1 Nr. 4 der MwStSystRL. Es liegen auch keine landwirtschaftlichen Dienstleistungen vor. Demnach gehören zu den landwirtschaftlichen Dienstleistungen weder die Zurverfügungstellung von Flächen zur Durchführung ökologischer Ausgleichsmaßnahmen im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes noch der Verkauf von sog. Ackerstatusrechte.

Durch die Überlassung von sog. Vieheinheiten an eine Mitunternehmerschaft wird es dieser sowohl einkommensteuerrechtlich als auch umsatzsteuerrechtlich ermöglicht, anstelle von gewerblichen Einkünften (Tierzucht) Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu erzielen (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 5 EStG i.V.m. § 51a BewG) und die getätigten Umsätze der Durchschnittssatzbesteuerung zu unterwerfen (§ 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG). Der Kerngehalt der Überlassung von Vieheinheiten liegt damit in der Verschaffung von Steuervorteilen bei der Einkommen- und Umsatzsteuer. Eine derartige Dienstleistung ist nicht im Leistungskatalog enthalten und - bei der unionsrechtlich gebotenen engen Auslegung der Pauschalregelung - auch den dort genannten Leistungen nicht vergleichbar: Die Überlassung von Vieheinheiten durch den Kläger fällt weder unter "Hüten, Zucht und Mästen von Vieh" (Anhang VIII Nr. 4 zu Art. 295 Abs. 1 Nr. 5 der MwStSystRL) noch unter die "Vermietung normalerweise in land-, forst- und fischwirtschaftlichen Betrieben verwendeter Mittel zu landwirtschaftlichen Zwecken". Die Überlassung der Vieheinheiten ist auch keiner der aufgeführten Leistungen vergleichbar, denn sie steht in keinem direkten Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Produktion.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 21.04.2021 17:59
Quelle: BFH online

zurück zur vorherigen Seite