Aktuell in der GmbHR

Die Kompetenzausstattung fakultativer Aufsichtsgremien (Lieder/Becker/Hoffmann, GmbHR 2022, 233)

Nachdem die Verfasser in einem Grundlagenbeitrag (Lieder/Becker/Hoffmann, GmbHR 2021, 621) bereits die Zielstellung und Methodik einer breit angelegten empirischen Untersuchung von fakultativen GmbH-Aufsichtsgremien erläutert und in einem Folgebeitrag die hieraus gewonnenen Erkenntnisse zur inneren Ordnung dieser Gremien sowie zur Haftung und Vergütung ihrer Mitglieder entfaltet haben (Lieder/Becker/Hoffmann, GmbHR 2021, 957), steht im dritten Beitrag zum Rechtstatsachenprojekt die Kompetenzausstattung fakultativer Aufsichtsgremien im Mittelpunkt.

I. Einführung und Grundlagen
II. Überwachungskompetenz

1. Rechtliche Rahmenbedingungen
2. Empirische Auswertung
III. Personalkompetenz
1. Rechtliche Rahmenbedingungen
2. Empirische Auswertung
IV. Zustimmungsvorbehalte
1. Rechtliche Rahmenbedingungen
2. Empirische Auswertung
a) Umfang
b) Inhalt
c) Einzelne Geschäftsarten
aa) Finanzierungs- und Grundstücksgeschäfte
bb) Prokuren und Handlungsvollmachten
cc) Investition und Desinvestition
dd) Personalmaßnahmen auf nachgeordneter Hierarchieebene
ee) Weitere Maßnahmen und Geschäfte
d) Generalklauseln
e) Öffnungsklauseln
f) Eilentscheidungsrecht
V. Weisungsrechte
1. Rechtliche Rahmenbedingungen
2. Empirische Auswertung
VI. Vertretung der Gesellschaft
VII. Beratung der Geschäftsführung
VIII. Übertragung weiterer Gesellschafterkompetenzen

1. Rechtliche Rahmenbedingungen
2. Empirische Auswertung
IX. Zusammenfassung der wesentlichen  Erkenntnisse


I. Einführung und Grundlagen

1
Die weitreichende Satzungsautonomie des GmbH-Rechts gestattet es den Gesellschaftern, nicht nur über das „Ob“ der Einrichtung eines fakultativen Aufsichtsgremiums  zu entscheiden, sondern auch über das – aus rechtspraktischer Perspektive nicht minder wichtige – „Wie“. Dabei erweist sich die Kompetenzausstattung als zentrale Fragestellung, die für die Sinnhaftigkeit, Funktionsfähigkeit und Effizienz fakultativer Aufsichtsorgane von kaum zu überschätzender Bedeutung ist.

2
Im Ausgangspunkt steht es den Gesellschaftern – als Ausfluss der das GmbH-Recht prägenden Satzungsautonomie – frei, mit welchen Kompetenzen sie das von ihnen geschaffene fakultative Aufsichtsorgan ausstatten wollen.  Handelt es sich um einen fakultativen Aufsichtsrat, finden in Ermangelung statutarischer Regelungen über die Verweisung des § 52 Abs. 1 GmbHG die aktienrechtlichen Bestimmungen der §§ 111–112, 90 Abs. 3, 4, 5 Satz 1 und 2 AktG entsprechende Anwendung. Allerdings können die Gesellschafter § 52 Abs. 1 GmbHG in Gänze abbedingen  oder aber den durch die Verweisung gezogenen Kompetenzrahmen über- oder unterschreiten,  wie dies in der folgenden Abbildung grafisch aufbereitet ist:

An dieser Stelle findet sich in Datenbank und Heft eine Abb.: Erweiterung oder Einschränkung der Aufsichtsratskompetenzen im Vergleich zum Standard des § 52 Abs. 1 GmbHG (Quelle: eigene Darstellung)

3
Von einem Aufsichtsrat im Rechtssinne kann allerdings nicht mehr die Rede sein, wenn dem Gremium die das Wesen des Aufsichtsrats prägenden Mindestkompetenzen entzogen werden,  z.B. das Recht und die Pflicht zur Überwachung der Geschäftsführung.  In einem solchen Fall handelt es sich – ungeachtet der verwendeten Bezeichnung – um einen (beratenden) Beirat.  Da dieser von der Verweisungsnorm des § 52 Abs. 1 GmbHG nicht adressiert wird, richtet sich seine Kompetenzausstattung vollständig nach der einschlägigen Satzungsregelung.

4
Umgekehrt verlaufen die äußeren Grenzen der Kompetenzübertragung dort, wo dem Gremium Zuständigkeiten überantwortet werden sollen, die gesetzlich zwingend und unentziehbar entweder der Gesellschafterversammlung oder den Geschäftsführern zugewiesen sind.  Ob die statutarische Kompetenzübertragung gleichwohl zulässig sein kann, hängt maßgeblich davon ab, um welche konkreten Zuständigkeiten es geht und ob die Übertragung verdrängender oder konkurrierender Natur ist. Im Fall einer verdrängenden Übertragung wird das originär zuständige Gesellschaftsorgan von der Wahrnehmung der Kompetenz ausgeschlossen. Bei der konkurrierenden Kompetenzübertragung wird dagegen eine Parallelzuständigkeit des fakultativen Organs begründet. Welche Art der Kompetenzübertragung intendiert ist, ist durch Auslegung des Gesellschaftsvertrags zu ermitteln.  Fehlt es an einer – stets ratsamen – ausdrücklichen Regelung und lässt sich die Frage auch nicht durch Auslegung des Gesellschaftsvertrags beantworten, ist im Zweifel von einer konkurrierenden Zuständigkeitsübertragung auszugehen.  Denn den Gesellschaftern kann schwerlich angesonnen werden, sie wollten sich ihrer Kompetenzen zur Gänze begeben, wenn sich ein solcher Wille weder explizit noch implizit der Satzung entnehmen lässt.

II. Überwachungskompetenz

1. Rechtliche Rahmenbedingungen

5
Der fakultative Aufsichtsrat fungiert primär als Überwachungsorgan (§ 52 Abs. 1 i.V.m. § 111 Abs. 1 GmbHG). Auch dem Beirat kann aber durch statutarische Gestaltung die Überwachung der Geschäftsführung übertragen werden (Realtypus des überwachenden Beirats).  In sachlicher Hinsicht umfasst die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsgremiums die gesamte Tätigkeit der Geschäftsführung.  Einer besonders intensiven Überwachung durch den Aufsichtsrat steht auch nicht die innergesellschaftliche Kompetenzordnung entgegen,  weil die Geschäftsführer – anders als der AG-Vorstand – die GmbH gerade nicht in eigener Verantwortung, sondern vielmehr weisungsabhängig leiten. Eine faktische Beschränkung der Kontrolltätigkeit ergibt sich allerdings aus ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 22.02.2022 14:42
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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