Weitere aktuelle Rechtsprechung in Leitsätzen (KW 10)

Hier finden Sie die Leitsätze ausgewählter aktueller Entscheidungen aus dem Unternehmensrecht.

BGH 12.1.2022, XII ZR 8/21
Anpassung der Mietzahlungspflicht bei coronabedingter Ladenschließung

1. Die durch die COVID 19-Pandemie bedingte Schließung eines Einzelhandelsgeschäfts führt nicht zu einem Mangel der Mietsache i.S.v. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dem Vermieter wird dadurch die vertraglich geschuldete Leistung zur Überlassung und Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand auch nicht ganz oder teilweise unmöglich.

2. Im Fall einer Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID 19-Pandemie beruht, kommt grundsätzlich ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB in Betracht.

3. Bei der Prüfung, ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist, verbietet sich eine pauschale Betrachtungsweise. Maßgeblich sind vielmehr sämtliche Umstände des Einzelfalls. Daher sind auch die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt hat.
(alle amtl.)


LAG München 13.10.2021, 11 TaBV 20/21
Anfechtung der Wahl zum Aufsichtsrat nach dem MitbestG (TÜV Süd AG)

1. Nach der 3. WO MitbestG muss die Stimmenauszählung ebenso wie die Gültigkeitsprüfung durch den Wahlvorstand als Gremium und nicht nur durch einzelne seiner Mitglieder oder durch den Vorstand allein erfolgen.

2. Auch unter den Bedingungen Corona-Pandemie ist jedenfalls in Bayern eine Briefwahl bei der Delegiertenwahl nicht zulässig.
(nicht amtl.)


OLG Braunschweig 13.11.2021, 3 Kap 1/16
Haftung wegen Verletzung der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität im Dieselskandal

1. Informationen sind als konkrete Insiderinformationen anzusehen, wenn sie spezifisch genug sind, um einen Schluss auf die möglichen Auswirkungen von Umständen oder Ereignissen auf die Kurse von Finanzinstrumenten zuzulassen; dazu können auch zukünftige Entwicklungen gehören.

2. Für die Beurteilung der Kursrelevanz ist die Perspektive des verständigen Anlegers maßgeblich, so dass es sich bei der Frage nach der Kursrelevanz von Ereignissen nicht um eine Tatfrage, sondern um eine Rechtsfrage handelt, die sich nur aufgrund einer umfassenden Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls wertend beurteilen lässt.

3. Die sog. Aufdeckungswahrscheinlichkeit spielt im Rahmen der Prüfung der Kursrelevanz gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. keine Rolle, sondern es ist zu unterstellen, dass die betreffenden Umstände öffentlich bekannt geworden sind.

4. Für die Beurteilung der Kursrelevanz sind die Reputationsvermögensschäden, nicht aber reine Reputationsverluste maßgeblich.

5. Eine Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG a.F. setzt eine bewusste Entscheidung des Emittenten voraus.

6. Interne und behördliche Ermittlungen wegen Compliance-Verstöße begründen i.d.R. ein berechtigtes Interesse des Emittenten für den Aufschub der Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 Abs. 3 WpHG a.F.; allerdings setzt die Selbstbefreiung die Kooperationsbereitschaft des Emittenten voraus.

7. Der Grundsatz, dass niemand zu einer Selbstbezichtigung verpflichtet ist, ist nicht absolut; dies gilt insbesondere für kapitalmarktrechtlichen Mitteilungspflichten.

8. Bereichsleiter, die im technischen Unternehmensbereich tätig sind, sind keine verfassungsmäßig berufenen Vertreter hinsichtlich der Ad-hoc-Publizitätspflicht.

9. Die Haftungstatbestände der §§ 37b, 37c WpHG a.F. regeln nicht die gesetzliche Vertrauenshaftung, sondern sind dem deliktischen Bereich zuzuordnen.
(alle nicht amtl.)


BFH 18.5.2021, I R 62/17
Überhöhte Verzinsung eines Gesellschafterdarlehens als vGA

1. Bei der Ermittlung des fremdüblichen Darlehenszinses für ein unbesichertes Gesellschafterdarlehen steht die gesetzlich angeordnete Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) einem Risikozuschlag bei der Festlegung der Zinshöhe zum Ausgleich der fehlenden Darlehensbesicherung nicht entgegen.

2. Es widerspricht allgemeinen Erfahrungssätzen, wenn das Tatgericht ohne gegenteilige Tatsachenfeststellungen davon ausgeht, dass ein fremder Dritter für ein nachrangiges und unbesichertes Darlehen denselben Zins vereinbaren würde wie für ein besichertes und vorrangiges Darlehen.
(alle amtl.)

 

 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 08.03.2022 11:48
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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