Aktuell in der GmbHR

Finanzierungsbeziehungen im Konzern im Spannungsfeld zwischen fortentwickelter BFH-Rechtsprechung und Verlautbarungen der deutschen Finanzverwaltung (Andresen, GmbHR 2022, 344)

Der I. Senat des BFH hat in drei Entscheidungen des Jahres 2021 zu Inbound- und Outbound-Finanzierungsbeziehungen seine Rechtsprechung fortentwickelt (BFH v. 18.5.2021 – I R 4/17, GmbHR 2022, 107 m. Anm. Andresen; BFH v. 18.5.2021 – I R 62/17, GmbHR 2022, 279 m. Anm. Dorn; BFH v. 9.6.2021 – I R 32/17, GmbHR 2022, 216). Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit den Erkenntnissen, die Steuerpflichtige aus diesen Entscheidungen gewinnen können im Hinblick auf eine anstehende Bestandsaufnahme und Prüfung bestehender und neu abzuschließender Finanzierungsbeziehungen mit verbundenen Unternehmen im Ausland. Anlass für eine solche Prüfung sind zum einen die aktuelle Betriebsprüfungsaktivität und zum anderen die jüngst veröffentlichten Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise (vgl. BMF v. 14.7.2021 – IV B 5 - S 1341/19/10017:001, BStBl. I 2021, 1098), in denen das BMF die nachgeordneten Finanzbehörden dazu anweist, wie sie mit Finanzierungsbeziehungen bei der möglichen Anwendung von Verrechnungspreis-Korrekturvorschriften umgehen sollen.


I. Einleitung
II. Jüngste BFH-Entscheidungen zu Finanzierungsbeziehungen

1. Inbound-Finanzierungen
a) Sachverhalt zum BFH-Urteil vom 18.5.2021 – I R 4/17
b) Sachverhalt zum BFH-Urteil vom 18.5.2021 – I R 62/17
2. Outbound-Finanzierungen – Sachverhalt zum BFH-Urteil vom
9.6.2021 – I R 32/17
3. Entscheidungsgründe
a) Systematisierung der Entscheidungsgründe
b) Gründe für das Akzeptieren oder Verwerfen von Vergleichstransaktionen
aa) Gründe für das Verwerfen oder fälschliche Akzeptieren von Vergleichstransaktionen durch die Finanzgerichte
bb) Berücksichtigung des Konzernrückhalts bei der Kreditwürdigkeitsanalyse
cc) Konsequenzen für Steuerpflichtige
(1) Preisermittlung und Dokumentation
(2) Verteidigung der Verrechnungspreise in der Betriebsprüfung
c) Gründe für das Nichtanerkennen dem Grunde nach (Outbound-Transaktionen)
III. Fazit


I. Einleitung

1
In laufenden Betriebsprüfungen verzögert sich derzeit der Abschluss der Prüfungstätigkeit und die Beendigung einer inhaltlich eigentlich abgeschlossenen steuerlichen Außenprüfung u.a. deswegen, weil die Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise (im Folgenden VGVP) in den Rz. 3.88 ff. Anweisungen enthalten, die den genannten BFH-Urteilen vom 18.5.2021 diametral entgegenstehen. Insbesondere Rz. 3.92 VGVP, in der für die Verprobung der Angemessenheit von Darlehenszinsen unter bestimmten Voraussetzungen die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode verlangt wird, steht auch nach kürzlich geäußerter Ansicht des VorsRiBFH Brandis im diametralen Gegensatz zu einer der beiden oben genannten Entscheidungen des BFH vom 18.5.2021.

2
Zur Rz. 3.91 VGVP, die für Fremdüblichkeit einer Darlehensbeziehung eine wirtschaftliche Notwendigkeit der Finanzierung verlangt, sagt Brandis, dass es nicht angehen kann, „dass der Fiskus im Ergebnis vielleicht anders oder besser wirtschaften will als das Unternehmen, indem er sich nämlich sagt: Bitte, diese Finanzierung, die war doch jetzt vielleicht gar nicht notwendig“. Vor dem Hintergrund dieser Äußerung scheint auch ein zentraler Satz von Eymann/Lickteig diskussionswürdig, die fremdunübliches Verhalten als auslösendes Moment der vGA und des § 1 AStG sehen möchten. Der Fremdvergleich war und ist jedoch kein Verhaltenstest. So hat unübliches Verhalten ausweislich älterer Rechtsprechung eher indizielle Bedeutung und ist daher bestenfalls Auslöser für eine genaueres Hinschauen durch die Finanzverwaltung. Ein Ersetzen des tatsächlich verwirklichten Sachverhalts durch einen der Finanzverwaltung genehmeren dürfte dagegen unter keinen Umständen rechtlich statthaft sein.

II. Jüngste BFH-Entscheidungen zu Finanzierungsbeziehungen
3
Was können Steuerpflichtige aus den jüngeren BFH-Entscheidungen für die Analyse ihrer bestehenden Darlehensbeziehungen, aber auch für den Abschluss neuer Finanzierungsbeziehungen mitnehmen, z.B. auch in eine aktuelle Diskussion über derzeit in der Betriebsprüfung befindliche Darlehensbeziehungen mit der Finanzverwaltung, die sich mit dem Umgang mit der neuen Rechtsprechung tatsächlich schwertut? Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Wirkungsrichtung der BFH-Urteile erscheint bei bestehenden Gemeinsamkeiten eine nach Inbound- und Outbound-Finanzierungen differenzierende Betrachtung der Sachverhalte geboten, die den Urteilen zugrunde gelegen haben.

1. Inbound-Finanzierungen
4
Die beiden o.g. Entscheidungen vom 18.5.2021 befassen sich mit der Darlehensgewährung einer ausländischen Konzerngesellschaft an eine inländische Konzerngesellschaft jeweils in der Rechtsform einer GmbH.

a) Sachverhalt zum BFH-Urteil vom 18.5.2021 – I R 4/17
5
Im Sachverhalt zu I R 4/17 gewährte eine niederländische Finanzierungsgesellschaft (FinCo) einer ihr nahestehenden deutschen GmbH Gesellschafterdarlehen zu Zinssätzen zwischen 5,5 % und 6,3 %, während die deutsche GmbH im selben Zeitraum Bankdarlehen zu Zinssätzen zwischen 2,6 % und 4,1 % erhielt. Die Muttergesellschaft der FinCo (hier als HoldCo bezeichnet) gab gegenüber der finanzierenden Bank eine Bürgschaftserklärung ab, für die die GmbH kein Entgelt an die HoldCo entrichtete, obwohl sie davon einen Vorteil in Gestalt der gegenüber ihrem eigenen Credit Rating vergleichsweise niedrigeren Zinszahlungen an die finanzierende Bank hatte. Die Angemessenheit der Zinshöhe der Darlehen wurde vom Steuerpflichtigen u.a. durch eine ex post durchgeführte Datenbankanalyse unter Anwendung der ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 05.04.2022 16:23
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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