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Fehlerhafte und faktische GmbH-Geschäftsführer im Zivilprozess (Gaub, GmbHR 2022, 669)

Der Beitrag beleuchtet einige zivilprozessuale Implikationen einer fehlerhaften sowie faktischen Organstellung eines GmbH-Geschäftsführers. In Rechtsprechung und Literatur liegt der Fokus zumeist auf materiell-rechtlichen Haftungsfragen, in denen beide Erscheinungsformen ähnlich behandelt werden. Die verfahrensrechtlichen Wirkungen der Rechtsfiguren sind dabei bislang noch vergleichsweise selten betrachtet worden. Der Beitrag widmet sich vier Aspekten: (i) Der Vertretung der GmbH durch fehlerhafte und faktische Geschäftsführer im Prozess, (ii) der Anhörung und Vernehmung des fehlerhaften bzw. faktischen Geschäftsführers als Zeuge oder Partei, (iii) Rechtswegfragen bei Prozessen zwischen der GmbH und ihrem Geschäftsführer sowie (iv) der funktionellen Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen. Im Zuge dessen ergibt sich, dass die häufig vorgenommene formelhafte Abgrenzung der Rechtsfiguren zumindest in prozessualer Hinsicht ihre Berechtigung hat.


I. Einleitung

II. Prozessvertretung der GmbH durch fehlerhafte und faktische Geschäftsführer

1. Prozessualer Rahmen: Zulassungsstreit

2. Gesetzliche Vertretungsregelung

a) Fehlen von Bestellungsvoraussetzungen

b) Fehler im Bestellungsverfahren

c) Fehlen eines Bestellungsaktes

d) Zwischenfazit

3. Fehlerhafte Geschäftsführer

a) Anfechtbar bestellter Geschäftsführer

b) Unwirksam bestellter Geschäftsführer

c) Wirksame Prozessvertretung über § 15 Abs. 3 HGB?

d) Sonderaspekt: Vertretung der GmbH im Beschlussmängelprozess um den Bestellungsakt

4. Faktische Geschäftsführer

5. Urteilswirkungen bei unentdeckt mangelhafter Prozessvertretung

III. Stellung als Zeuge oder Partei in der Vernehmungssituation

1. Fehlerhafte Geschäftsführer

a) Anfechtbar bestellter Geschäftsführer

b) Unwirksam bestellter Geschäftsführer

2. Faktische Geschäftsführer

IV. Rechtswegfragen

1. Ausgangspunkt: Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG

2. Fehlerhafte Geschäftsführer

3. Faktische Geschäftsführer

V. Funktionelle Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen

VI. Zusammenfassung

1. Fehlerhafte Geschäftsführer

2. Faktische Geschäftsführer


I. Einleitung

Gemeinhin werden fehlerhafte und (rein) faktische Geschäftsführer unterschieden. Fehlerhafte Geschäftsführer wurden in die Organstellung berufen, wobei der Bestellungsakt an einem formellen oder materiellen Rechtsfehler leidet. Dies kann etwa ein Bestellungshindernis nach § 6 GmbHG sein (sog. Inhabilität) oder aber ein Fehler im Verfahren der Beschlussfassung zur Bestellung. Unter (rein) faktischen Geschäftsführern versteht man solche, die nie förmlich als Organ bestellt wurden, aber wie ein Geschäftsführer tätig werden und insbesondere unter nachhaltiger Prägung der Geschicke der Gesellschaft für diese handeln. Ferner verlangt der BGH für die Annahme eines faktischen Geschäftsführers ein Auftreten nach außen und lässt das Tätigwerden mit reinem Innenbezug nicht genügen. Nicht erforderlich soll hingegen sein, dass der Handelnde die ordnungsgemäß bestellten Organe völlig verdrängt.

Beide Rechtsfiguren sind dabei in Rechtsprechung und Literatur höchst umstritten, sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen und Kategorisierung, als auch hinsichtlich der Rechtsfolgen. Bisweilen werden fehlerhafte Geschäftsführer z.B. als Unterfall der faktischen Geschäftsführer angesehen. Für die Kategorisierung in diesem Beitrag wird danach unterschieden, ob es gänzlich an einem Bestellungsakt fehlt (dann faktischer Geschäftsführer) oder ob ein Bestellungsakt vorliegt, dem ein Mangel anhaftet (dann fehlerhafter Geschäftsführer, gleich ob die Bestellung nichtig oder bloß anfechtbar ist). Nicht zu vorgenannten Kategorien gehört der Scheingeschäftsführer. Er ist weder durch fehlerhaften Bestellungsakt berufen, noch ist er faktisch wie ein Geschäftsführer tätig. Bei ihm besteht lediglich der Anschein einer Geschäftsführerschaft.

Der Zweck der Rechtsfiguren besteht darin, Personen, wenn sie in der GmbH Geschäftsführungsfunktionen wahrnehmen, auch rechtlich wie Geschäftsführer zu behandeln. Die Einwirkung auf die Gesellschaft soll mit denselben (Haftungs-)Folgen für die handelnde Person verbunden sein, als wäre sie ein ordnungsgemäß bestelltes Organ. Wer die Geschäfte der Gesellschaft führt, soll sich etwa nicht der Insolvenzantragspflicht oder der Geschäftsführerhaftung entziehen können.

Ob und welche Rechtswirkungen im Außenverhältnis zu gesellschaftsfremden Dritten bestehen, ist umstritten. Hinsichtlich der organschaftlichen Vertretungsmacht stehen sich im Wesentlichen zwei Ansichten gegenüber: Eine Ansicht nimmt an, dass jedenfalls das fehlerhafte Organ so zu behandeln sei, als sei es mit organschaftlicher Vertretungsmacht ausgestattet, dies in Anknüpfung an die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft; der Verkehrsschutz müsse über § 15 HGB und die Rechtsscheingrundsätze hinausreichen. Eine andere Ansicht geht hingegen davon aus, dass nicht wirksam bestellten Organen per se keine organschaftliche Vertretungsmacht zukomme und der Verkehrsschutz allein durch § 15 HGB sowie die Grundsätze der Duldungs- und Anscheinsvollmacht zu bewerkstelligen sei.

II. Prozessvertretung der GmbH durch fehlerhafte und faktische Geschäftsführer

Hieran anknüpfend wird zunächst die Vertretung der GmbH durch fehlerhafte und faktische Geschäftsführer im Prozess betrachtet. Im Normalfall des fehlerfrei bestellten Geschäftsführers vertritt dieser (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 04.07.2022 10:29
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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