Aktuell in der GmbHR

GmbH digital 2.0 - Onlineverfahren im Gesellschaftsrecht nach dem DiREG (Stelmaszczyk/Strauß, GmbHR 2022, 833)

Am 1.8.2022 sind die Neuregelungen zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie in Kraft getreten. Die Änderungen bestehen aus dem Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) und dem DiRUG-Ergänzungsgesetz, das die Regelungen des DiRUG erweitert und teilweise modifiziert. Insgesamt hat der Gesetzgeber eine ausgewogene Lösung geschaffen, die notwendige und sinnvolle Digitalisierungsmaßnahmen mit dem Erhalt der Funktionen der notariellen Verfahren verbindet. Der Beitrag stellt die seit dem 1.8.2022 sowie ab dem 1.8.2023 geltende Rechtslage zusammenfassend dar und setzt dabei einen Schwerpunkt auf die für die Praxis besonders relevante Frage des Anwendungsbereichs der notariellen Onlineverfahren.


I. Einleitung
II. Gründung der GmbH (seit dem 1.8.2022; mit Sachgründung ab dem 1.8.2023)
III. Zulässiger Satzungsinhalt (seit dem 1.8.2022)
IV. Gesellschafterliste (seit dem 1.8.2022)
V. Nicht beurkundungsbedürftige Erklärungen und Beschlüsse (seit dem 1.8.2022)

1. Grundsätzliches
2. Begrenzung durch den Urkundenzusammenhang
3. Einschränkungen bei Umgehungsgestaltungen
VI. Satzungsändernde Gesellschafterbeschlüsse (ab dem 1.8.2023)
1. Beschränkung auf einstimmige Beschlüsse
2. Anwendungsbereich
3. Beurkundungsverfahren
4. Zulässigkeit nicht in Präsenzform gefasster Beschlüsse, § 48 Abs. 1 Satz 2 GmbHG n.F.
a) Verhältnis des Zustimmungserfordernisses nach § 48 Abs. 1 Satz 2 GmbHG n.F. zum Einstimmigkeitserfordernis des § 53 Abs. 3 Satz 2 GmbHG k.F.
b) Verhältnis des präsenzlosen Verfahrens nach § 48 Abs. 1 Satz 2 GmbHG n.F. zum Onlineverfahren nach §§ 16a ff. BeurkG n.F.
c) Verhältnis einer Abstimmung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 GmbHG n.F. zur Abstimmung im Umlaufverfahren nach § 48 Abs. 2 GmbHG
d) Verhältnis der Ausnahmeregelung des § 48 Abs. 1 Satz 2 GmbHG n.F. zu Satzungsbestimmungen nach § 45 Abs. 2 GmbHG
VII. Sachkapitalerhöhung, Übernahmeerklärungen, Übernehmerliste (ab dem 1.8.2023)
VIII. Geschäftsanteilsabtretungen und sonstige Strukturmaßnahmen (bis auf Weiteres online nicht möglich)

1. Geschäftsanteilsabtretungen
2. Gesellschaftervereinbarungen
3. Umwandlungsmaßnahmen, Zustimmungen zu Unternehmensverträgen
IX. Anmeldungen zum Handels-, Genossenschafts- und Partnerschaftsregister (seit dem 1.8.2022)
X. Anmeldungen zum Vereinsregister und zum Gesellschaftsregister (ab dem 1.8.2023 bzw. dem 1.1.2024)
XI. Vollmachten, Nachgenehmigungen (seit dem 1.8.2022)

1. Gründungsvollmachten
2. Registervollmachten
3. Beschränkung auf beurkundete Vollmachten
XII. Verstoßfolgen
XIII. „Örtliche Zuständigkeit“

1. Anknüpfungspunkte
2. Kumulative Anwendung von § 10a Abs. 1, § 11 Abs. 1 BNotO
3. Ausnahmen von § 10a Abs. 3, § 11 Abs. 3 BNotO
XIV. Substitution
1. Deutsches Recht schreibt Präsenzverfahren vor
2. Deutsches Recht lässt Onlineverfahren zu
XV. Übersicht
XVI. Fazit


I. Einleitung

1
Am 1.8.2022 sind die notariellen Onlineverfahren in Betrieb gegangen. Damit ist insbesondere die notarielle Onlinegründung von GmbHs möglich.

2
Die Einführung der Onlineverfahren geht auf die Digitalisierungsrichtlinie und die Single-Digital-Gateway-Verordnung zurück. Grundlage für die notariellen Onlineverfahren sind Änderungen insbesondere des GmbHG, des Beurkundungsgesetzes und der Bundesnotarordnung, die der Gesetzgeber in der vergangenen Legislaturperiode mit dem Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) und in der gegenwärtigen Legislaturperiode mit dem Gesetz zur Ergänzung der Regelungen zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften (DiREG) vorgenommen hat.

3
Das DiREG ist erst kurz vor dem Start der notariellen Onlineverfahren verkündet worden. Ursprünglich im DiRUG vorgesehene Regelungen werden hierdurch teilweise bereits mit Wirkung zum 1.8.2022 wieder abgeändert; weitere Regelungen GmbHR 2022, 834des DiREG treten erst ein Jahr später, nämlich am 1.8.2023, in Kraft. Hintergrund ist, dass die neue Bundesregierung mit dem DiREG den Anwendungsbereich der notariellen Onlineverfahren schon von Beginn an ausweiten wollte.

4
Die seit dem 1.8.2022 für die notariellen Onlineverfahren geltende Rechtslage ist von einer gewissen Unübersichtlichkeit geprägt. Das liegt zum einen an der sehr kurzfristigen Verkündung des DiREG, zumal am Ende des Gesetzgebungsverfahrens der Rechtsausschuss noch maßgebliche Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf beschlossen hat. Zum anderen trägt auch das vorbeschriebene eher ungewöhnliche Ineinandergreifen von DiRUG und DiREG hierzu bei.

5
Dieser Beitrag soll für die Praxis Klarheit in die nicht ganz leicht zu überblickende Rechtslage zu den neuen Onlineverfahren im Gesellschaftsrecht bringen. Um einen verständlichen Überblick in Bezug auf das Verhältnis zwischen DiRUG und DiREG zu geben, gibt er zusammenfassend die Rechtslage wieder, wie sie sich nach DiRUG und DiREG darstellt. Auf Unterschiede zwischen den beiden Gesetzen und deren Entstehungsgeschichte geht der Beitrag nur insoweit ein, als diese Unterscheidung in der Gesetzgebungsgenese für Auslegungsfragen von Bedeutung ist. Einen Schwerpunkt setzt der Beitrag auf die Frage des sachlichen Anwendungsbereichs (II.–XII.), daneben behandelt er auch die nicht minder wichtigen Fragen der Amtsbereichsfiktion (XIII.) und der Substitution (XIV.).

II. Gründung der GmbH (seit dem 1.8.2022; mit Sachgründung ab dem 1.8.2023)
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Seit dem 1.8.2022 erlaubt § 2 Abs. 3 GmbHG n.F. die Bargründung von GmbHs im Wege des neuen notariellen Onlineverfahrens. Die Vorschrift bezieht sich ausdrücklich auf Gründungen ohne Sacheinlage und schließt daher Sachgründungen vom Anwendungsbereich aus, darüber hinaus auch gemischte Bar- und Sachgründungen oder Mischeinlagen. Hierbei handelt es sich um eine richtlinienkonforme Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie.

7
In seinem unmittelbaren Anwendungsbereich ersetzt § 2 Abs. 3 Satz 1 GmbHG n.F. hierbei lediglich das Formerfordernis des § 2 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Dies kann § 2 Abs. 3 Satz 3 und Satz 4 GmbHG n.F. entnommen werden, die überflüssig wären, wenn bereits § 2 Abs. 3 Satz 1 GmbHG n.F. weitere Beurkundungsgegenstände umfasste.

8
Grundfall des § 2 Abs. 3 Satz 1 GmbHG n.F. sind Mantelurkunde und Satzung der GmbH im Rahmen der Gründung. Diese Beurkundungsgegenstände sind also bereits vom unmittelbaren Anwendungsbereich des § 2 Abs. 3 Satz 1 GmbHG n.F. erfasst. Darüber hinaus erstreckt sich das Formerfordernis aus § 2 Abs. 1 Satz 1 GmbHG aber auch auf...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 08.08.2022 16:13
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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