Aktuell in der GmbHR

Die GmbH mit gebundenem Vermögen im Erb- und Familienrecht (Sanders/Bühring, GmbHR 2022, 889)

Das Konzept der Gesellschaft mit gebundenem Vermögen, treuhänderischen Unternehmensverständnisses oder Verantwortungseigentums ist Gegenstand einer regen gesellschaftsrechtlichen Diskussion und wurde in den Koalitionsvertrag aufgenommen. Auf dem Tisch liegt ein Vorschlag zur Umsetzung als Sonderform der GmbH. Zentrales Element des Entwurfs ist die Vermögensbindung; die Gesellschafter (und ihre Erben) erhalten keine Gewinnausschüttungen und sind bei Ausscheiden in der Regel ausschließlich auf die Erstattung der Einlage verwiesen. Daran anknüpfend befürchten Stimmen in der Literatur eine Benachteiligung der Pflichtteilsberechtigten sowie von Ehegatten im Fall der Scheidung. Aus diesem Anlass untersucht der Beitrag, wie sich die Vermögensbindung der GmbH mit gebundenem Vermögen auf das Pflichtteils- und eheliche Güterrecht auswirken würde und ob weitere gesetzgeberische Anpassungen bei der Umsetzung des Konzepts erforderlich sind.

I. Einleitung und Problemstellung
II. Pflichtteilsergänzungsrecht in der GmbH-gebV

1. Erbgang, Pflichtteil und Pflichtteilsergänzung in der GmbH-gebV
a) Enterbter Angehöriger
b) Pflichtteilsberechtigter Erbe
2. Schenkung i.S.d. § 2325 BGB
a) Vermögensbindung bei Gründung
aa) Einlagenleistung
bb) Weitere Leistungen und Aufgeld
(1) Ausgestaltung des Aufgelds
(2) Causa societatis?
(3) Erwartungen immaterieller Gegenleistungen
(4) Vergleichbarkeit mit Zustiftungen
cc) Zwischenergebnis
b) Der Vermögensbindungsbeschluss, bzw. die Umwandlung in eine GmbH-gebV
c) Der Unternehmenswert im Übrigen
aa) Schenkung des vollwertigen Anteils von Todes wegen?
bb) Wertungen für die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen
3. Die Bewertung von Schenkungen im Rahmen der Pflichtteilsergänzung
4. Die Abschmelzungsfrist gem. § 2325 Abs. 3 BGB
a) Die Abschmelzungsfrist de lege lata
b) De lege ferenda
III. Die GmbH-gebV im Zugewinnausgleich
1. Einbringung eines Unternehmens in eine GmbH-gebV
a) Einlage
b) Vermögensbindungsbeschluss und Umwandlung
2. Einbringung als illoyale Vermögensverfügung
3. Wertsteigerungen
IV. Ergebnisse
1. Die Einlage in eine GmbH-gebV
2. Aufgeld
3. Vermögensbindungsbeschluss bzw. Umwandlung
4. Wertsteigerungen
5. Frist
6. Abschließende Wertung


I. Einleitung und Problemstellung
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Das Konzept der Gesellschaft mit gebundenem Vermögen, treuhänderischen Unternehmensverständnisses oder Verantwortungseigentums beschäftigt die gesellschaftsrechtliche Diskussion seit nunmehr zwei Jahren. In solchen Unternehmen sollen Stimmrechte bei Personen liegen, die dem Unternehmen verbunden sind und sich als Treuhänder für die nächste Generation sehen. Charakteristisch ist die sog. Vermögensbindung, die vorsieht, dass Unternehmer Stimm- und Verwaltungsrechte ausüben, aber keine Gewinnausschüttungen und keinen Anteil an einem etwaigen Liquidationserlös erhalten dürfen. Bisher arbeiten die Unternehmen, die sich diesen Prinzipien verpflichtet haben, mit Stiftungslösungen oder einem sog. Veto-Share-Modell, in dem die Vermögensbindung im Gesellschaftsvertrag einer GmbH verankert und durch die Übertragung eines Veto-Anteils an einen Dritten gegen Änderungen abgesichert wird. Die Unternehmen wünschen sich jedoch eine eigene Rechtsform für die leichtere Umsetzung. Mit der Aufnahme dieses Konzepts in den Koalitionsvertrag der „Ampel“ müssen die besten Lösungen für die praktische Umsetzung gefunden werden.

2
Auf dem Tisch liegt ein Vorschlag für eine Umsetzung als Sonderform der GmbH – die GmbH mit gebundenem Vermögen (GmbH-gebV). Während die Art der Umsetzung zu diskutieren bleibt, können die nachfolgenden Überlegungen auf der Grundlage des aktuellen Entwurfs Anregungen für verschiedene Formen der Umsetzung geben. Nach dem aktuellen Entwurf besitzen die Gesellschafter Anteile mit einer Einlage. Allein diese geleistete Einlage wird bei Ausscheiden und Liquidation erstattet, so dass eine Spaltung zwischen Einlage und dem sonstigen Unternehmenswert entstehen kann. Dabei kann die charakteristische Vermögensbindung auf drei Weisen hergestellt werden:

  • (1) bei Gründung
  • (2) durch Vermögensbindungsbeschluss, wenn bereits eine GmbH besteht und
  • (3) durch Umwandlungsbeschluss, wenn bereits eine Gesellschaft gegründet wurde, die keine GmbH ist. Dann sind grundsätzlich über § 197 UmwG die für die GmbH-gebV geltenden Gründungsvorschriften anzuwenden.

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In der Diskussion angesprochen wurde die Frage, wie die für den Vorschlag charakteristische Vermögensbindung im Erb- und Familienrecht wirken würde. Dabei wird befürchtet, dass das Pflichtteilsrecht und das familienrechtliche Güterrecht unterlaufen werden könnten, weil die Gesellschafter Anteile halten, auf deren wahren Wert weder sie noch ihre Angehörigen im Erb- und Familienrecht zugreifen können. Diese Befürchtung ist umso stärker, als das Pflichtteilsrecht unter dem Schutz der Institutsgarantie des Art. 14 GG steht, während der Zugewinnausgleich nach Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 2 GG geschützt ist. Dem Gesetzgeber ist insofern freilich ein Gestaltungsspielraum eingeräumt. Dies ist Anlass, den Einfluss der Vermögensbindung auf das Erb- und Familienrecht näher zu untersuchen. Dieser Beitrag will dem nachgehen und prüfen, wie die Rechtslage de lege lata bei Einführung der GmbH-gebV zu beurteilen ist und ob gegebenenfalls eine weitere Anpassung de lege ferenda erforderlich erscheint. Dabei soll zunächst das Pflichtteilsrecht (s. unten II., Rz. 4 ff.) und dann das Güterrecht (s. unten III., Rz. 63 ff.) in den Blick genommen werden.

II. Pflichtteilsergänzungsrecht in der GmbH-gebV

1. Erbgang, Pflichtteil und Pflichtteilsergänzung in der GmbH-gebV

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Der Entwurf zur GmbH-gebV enthält Regelungen, die einerseits die Vermögensbindung im Erbgang sichern und andererseits den Gesellschaftern maximalen Einfluss auf die Gestaltung der Nachfolge einräumen sollen, um die „Fähigkeiten- und Wertefamilie“ der Gesellschafter zu erhalten und zu entwickeln. Gestaltungen mit vergleichbaren Zielen sind bereits aus Gesellschaftsverträgen von Familienunternehmen bekannt.

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Der Entwurf einer Umsetzung als Sonderform der GmbH geht von der Vererbbarkeit der Anteile aus, § 77c Abs. 4 Satz 1 GmbHG-E. Allerdings können die übrigen Gesellschafter dem Eintritt des Erben widersprechen und diesen innerhalb einer Frist gegen Erstattung der Einlage ausschließen, §§ 77c Abs. 4 Satz 2, 77k Abs. 1 Satz 1 GmbHG-E; der Anteil fällt sodann gem. § 77c Abs. 4 Satz 3 GmbHG-E der Gesellschaft zu. Wird der Erbe aufgenommen, kann er als Gesellschafter bei Ausscheiden und Liquidation ebenfalls nur die Einlage erhalten. Eine Partizipation am Wert des Unternehmens über den Wert der Einlage hinaus findet nicht statt, ebenso wenig wie...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 06.09.2022 15:52
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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