Aktuell in der GmbHR

Der prekäre Schutz des GmbH-Minderheitsgesellschafters (Schockenhoff, GmbHR 2022, 945)

Der Schutz des GmbH-Minderheitsgesellschafters gegen Eingriffe in seine Rechtsposition ist im GmbHG nur lückenhaft geregelt. Die Rechtsprechung hat etliche Lücken auf der Grundlage des Treuepflichtgedankens geschlossen oder verkleinert. Der Gesetzgeber hat indessen im Jahr 1985 den Minderheitenschutz dadurch entscheidend geschwächt, dass der gesetzliche Anspruch auf Vollausschüttung des Jahresüberschusses zur Disposition der Gesellschaftermehrheit gestellt wurde. Dadurch hat er das systematische Aushungern des Minderheitsgesellschafters erleichtert. Das von der Rechtsprechung entwickelte Beschlussmängelrecht, das die Prozessrisiken weitgehend dem Minderheitsgesellschafter aufbürdet, verschlechtert seine Lage zusätzlich. Der Verfasser analysiert diese Gefahren für den GmbH-Minderheitsgesellschafter und zeigt die de lege lata bestehenden Möglichkeiten zur Verbesserung seiner Position auf.


I. Einleitung

II. Die Hürden des Minderheitenschutzes in der GmbH

1. Einladung zur Gesellschafterversammlung

2. Teilnahme von Beratern

3. Vertagung

4. Beschlussfähigkeit

5. Beschlussfeststellung

6. Gewinnverwendung

7. Einziehung der Geschäftsanteile des Minderheitsgesellschafters

8. Vinkulierung

9. Beschlussmängelklage

10. Auskunftserzwingung

11. Zusätzlich beim Gesellschafter-Geschäftsführer

12. Kombination der Hürden

III. Konsequenzen für die Gesetzesauslegung und Satzungsgestaltung

1. Absage oder Vertagung von Gesellschafterversammlungen bzw. Tagesordnungspunkten, die jeweils auf Minderheitsverlangen anberaumt wurden

2. Teilnahme von Beratern

3. Beweislast im Prozess

4. Bestimmung des Versammlungsleiters

5. Beschlussfähigkeit

6. Durchsetzung des Anspruchs auf Gewinnausschüttung – insbesondere im Urkundenprozess

7. Einziehung der Geschäftsanteile des Minderheitsgesellschafters

8. Vinkulierung

9. Austrittsrecht des Minderheitsgesellschafters

10. Gestaltung des Anstellungsvertrags

IV. Zusammenfassung der Ergebnisse


I. Einleitung

Die GmbH ist in Deutschland die wichtigste und am weitesten verbreitete Rechtsform für Handelsgesellschaften. Insbesondere mittelständische Unternehmen sind überwiegend in der Rechtsform der GmbH organisiert. Sind die Gesellschafter, wie häufig, zugleich Geschäftsführer, üben sie ihre berufliche Tätigkeit im Rahmen des Unternehmens aus und bestreiten ihren Lebensunterhalt aus den Bezügen als Geschäftsführer und/oder den Ausschüttungen als Gesellschafter. Sofern sie nur eine Minderheitsbeteiligung halten, sind sie in besonderer Weise auf effizienten Schutz ihrer Gesellschafterrechte angewiesen.

In der GmbH werden Gesellschafterbeschlüsse, wie allgemein im Verbandsrecht mit Ausnahme des Personengesellschaftsrechts, grundsätzlich mit der Mehrheit der Stimmen gefasst (§ 47 Abs. 1 GmbHG). Wer sich minderheitlich an einer GmbH beteiligt, muss daher damit rechnen, dass er überstimmt wird. Bei unternehmerischen, aber grundsätzlich auch bei strukturellen Entscheidungen kann er nicht erwarten, sich mit seiner Stimme gegen die Mehrheit durchzusetzen. Einen Eingriff in seine mitgliedschaftlichen Rechte muss er jedoch nicht dulden. Greift die Mehrheit in seine Rechtsposition ein, kann sich der Minderheitsgesellschafter wehren. Der Schutz des Minderheitsgesellschafters gegen Eingriffe in seine Rechtsposition ist im GmbH-Gesetz nur punktuell geregelt. Einige Lücken wurden jedoch nach und nach von der Rechtsprechung geschlossen. Dem Minderheitsgesellschafter stehen daher, so scheint es, durchaus angemessene Schutzinstrumente zur Verfügung.

Indessen zeigen sich gerade dann, wenn die Mehrheit gezielt und nachhaltig in die Rechte des Minderheitsgesellschafters eingreift, gravierende, für das GmbH-Recht spezifische Schutzdefizite. Die Gesellschaftermehrheit kann durch geschicktes Ausnutzen der Binnenprozeduren und der von der Rechtsprechung geprägten Besonderheiten des Beschlussmängelrechts bei der GmbH den Minderheitsgesellschafter regelrecht aushungern. Zwar unterscheidet sich das Schutzinstrumentarium bei der GmbH auf dem Papier nur wenig von dem bei der AG. Typischerweise ist der Minderheitsgesellschafter jedenfalls bei der personalistisch strukturierten GmbH aber in weit höherem Maß als der Minderheitsaktionär auf effektiven Rechtschutz angewiesen. Für den Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer gilt dies in besonderer Weise, denn er ist in der Regel – anders als der nur kapitalistisch beteiligte Minderheitsaktionär – auf Zuflüsse aus der Gesellschaft angewiesen.

Ist die AG börsennotiert, kann sich der Minderheitsaktionär der Aushungerung durch den Verkauf seiner Aktien entziehen. Demgegenüber kann der GmbH-Minderheitsgesellschafter seinen Anteil (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 20.09.2022 15:07
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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