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Die Fremdgeschäftsführerin der GmbH im Mutterschutz - Zugleich Überlegungen zum Verhältnis von § 38 Abs. 3 GmbHG zu sozial- und arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften (Arens, GmbHR 2022, 1061)

Seit dem Inkrafttreten des FüPoG II haben Geschäftsführerinnen der GmbH u.a. im Fall des Mutterschutzes unter den Voraussetzungen des § 38 Abs. 3 GmbHG ein Recht auf zeitweisen Widerruf ihrer Bestellung bei gleichzeitiger Zusicherung der Wiederbestellung. Regelungen zum Mutterschutz der GmbH-Geschäftsführerin sind nichts grundlegend Neues. Nicht zuletzt die Rechtsprechung des EuGH in der Sache „Danosa“ hat den Gesetzgeber bereits im Jahr 2018 veranlasst, den Anwendungsbereich des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) auf Geschäftsführerinnen der GmbH in abhängiger Beschäftigung zu erweitern. Der Beitrag beleuchtet unter besonderer Berücksichtigung der Schutzfristen nach § 3 Abs. 1 und 2 MuSchG, was diese unterschiedlichen Regelungen für Geschäftsführerinnen im Mutterschutz bedeuten und in welchem Verhältnis sie zueinander stehen. Es zeigt sich eine zwiespältige Rechtslage, die mancher Geschäftsführerin auch einen „Bärendienst“ erweisen könnte.

I. Einleitung
II. Der sozial- und arbeitsrechtliche Mutterschutz

1. Anwendung des MuSchG auf Geschäftsführerinnen
2. Reichweite der Beschäftigungsverbote
a) Unmittelbare Anwendung auf das Anstellungsverhältnis
b) Erforderlichkeit der Suspendierung des Organverhältnisses?
III. Der gesellschaftsrechtliche Mutterschutz nach § 38 Abs. 3 GmbHG
1. Grundzüge der Neuregelung
2. Verhältnis zum sozial- und arbeitsrechtlichen Mutterschutz
3. Obligatorische temporäre Befreiung von Organpflichten durch § 38 Abs. 3 GmbHG (analog)?
IV. Konstruktion eines obligatorischen temporären Widerrufs der Organstellung qua Fürsorge- und Treuepflicht
1. Pflicht zum Widerruf der Bestellung
2. Zum Anspruch auf Wiederbestellung
V. Fazit


I. Einleitung

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Regelungen zum Mutterschutz der Geschäftsführerin der GmbH sind nichts grundlegend Neues. Bereits im Jahr 2010 hatte der EuGH in der Sache „Danosa“ entschieden, dass auch Mitglieder der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft Arbeitnehmerinnen i.S.d. Richtlinie 92/85/EWG 1 (nachfolgend: „MuSchRL“) sein können. Dies hat den Gesetzgeber veranlasst, im Rahmen der Reform des Mutterschutzrechts mit Wirkung zum 1.1.2018 insb. den Anwendungsbereich des MuSchG auf Geschäftsführerinnen der GmbH zu erweitern. Erfasst sind gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 MuSchG seither Frauen in abhängiger Beschäftigung gem. § 7 Abs. 1 SGB IV und damit in aller Regel auch Fremdgeschäftsführerinnen i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 1, Alt. 2 GmbHG.

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Daneben wurde nunmehr durch das FüPoG II im Kapitalgesellschaftsrecht für Mitglieder des Geschäftsführungsorgans u.a. im Fall des Mutterschutzes ein Recht auf sog. Mandatspause eingeführt (vgl. §§ 84 Abs. 3 AktG, 38 Abs. 3 GmbHG, 40 Abs. 6 SEAG). Durch die Neuregelung hat auch die GmbH-Geschäftsführerin im Mutterschutz während der Dauer der Schutzfristen gem. § 3 Abs. 1 und 2 MuSchG unter bestimmten Voraussetzungen ein Recht auf zeitweisen Widerruf ihrer Bestellung bei gleichzeitiger Zusicherung der Wiederbestellung durch das zuständige Gesellschaftsorgan (vgl. § 38 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 GmbHG).

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Der Beitrag untersucht unter besonderer Berücksichtigung der Schutzfristen gem. § 3 Abs. 1 und 2 MuSchG, was diese verschiedenen Regelungen zum Mutterschutz de lege lata für die Fremdgeschäftsführerin der GmbH und insb. für ihre Beschäftigung in ihrem Anstellungsverhältnis einerseits sowie andererseits in ihrer Organbestellung bedeuten. Zugleich wird das Verhältnis des sozial- und arbeitsrechtlichen Mutterschutzes zum Gesellschaftsrecht, insb. zur Neuregelung des § 38 Abs. 3 GmbHG, näher beleuchtet. Dabei zeigt das Zusammenspiel zwischen sozial- und arbeitsrechtlichen Mutterschutz und Gesellschaftsrecht bei genauer Betrachtung eine zwiespältige Rechtslage.

II. Der sozial- und arbeitsrechtliche Mutterschutz

1. Anwendung des MuSchG auf Geschäftsführerinnen

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Während nach st. Rspr. Geschäftsführer der GmbH ungeachtet ihrer Weisungsgebundenheit gegenüber den Gesellschaftern (vgl. § 37 Abs. 1 GmbHG) nicht in einem Arbeitsverhältnis i.S.d. § 611a BGB, sondern in der Regel in einem freien Anstellungs- bzw. Dienstverhältnis zur Gesellschaft stehen, stellt Art. 2 lit. a) MuSchRL – als europarechtliche Grundlage des MuSchG – auf einen abweichenden Arbeitnehmerbegriff ab, der auch Mitglieder der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft erfassen kann. Danach ist eine schwangere Geschäftsführerin einer Kapitalgesellschaft dann Arbeitnehmerin gem. Art. 2 lit. a) MuSchRL, wenn sie gegenüber der Gesellschaft, die sie bestellt hat und in die sie eingegliedert ist, gegen Entgelt Leistungen erbringt, ihre Tätigkeit nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt und jederzeit ohne Einschränkung von ihrem Amt abberufen werden kann. Entsprechend dieser Anforderungen findet seit dem 1.1.2018 das MuSchG nach § 1 Abs. 2 Satz 1 MuSchG nicht mehr nur auf „Arbeitnehmerinnen“, sondern auf alle schwangeren Frauen in abhängiger Beschäftigung gem. § 7 Abs. 1 SGB IV Anwendung. Der Gesetzgeber hat zur richtlinienkonformen Umsetzung auf den weiteren – sich insofern weitgehend mit dem Arbeitnehmerinbegriff des Art. 2 lit. a) MuSchRL deckenden – Beschäftigtenbegriff des § 7 Abs. 1 SGB IV abgestellt, so dass in aller Regel das MuSchG auf Fremdgeschäftsführerinnen anzuwenden ist.

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Das Gesetz ordnet grds. eine uneingeschränkte Anwendung der Regelungen des MuSchG auf die Geschäftsführerin in abhängiger Beschäftigung an, soweit keine ausdrückliche Ausnahme geregelt ist. Die Regelungen gelten insoweit für jede Geschäftsführerin in abhängiger Beschäftigung im gleichen Maße wie für „klassische“ Arbeitnehmerinnen.

2. Reichweite der Beschäftigungsverbote

a) Unmittelbare Anwendung auf das Anstellungsverhältnis

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Für die Anwendung der Beschäftigungsverbote während der Schutzfristen nach § 3 Abs. 1 und 2 MuSchG regelt das Gesetz nicht ausdrücklich, ob diese auf die Organstellung und das...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.10.2022 11:22
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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