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Die Bestellung eines Doppelmandatsträgers zum Geschäftsführer in einer Tochter-GmbH - Corporate Governance bei der Bestellung von Doppelmandatsträgern (Dicke/Johnen, GmbHR 2022, 1117)

Bei Selbstbestellungen des Vorstands einer beherrschenden AG zum Geschäftsführer in einer Tochter-GmbH greift § 181 Var. 1 BGB. Vor dem Hintergrund der Leitlinien des BGH und der Oberlandesgerichte zu Selbstbestellungen skizziert der Beitrag Möglichkeiten für eine pro-aktive Corporate-Governance Gestaltung.

I. Einleitung
II. Der Beschluss des OLG Frankfurt
III. Selbstbestellung des Vorstands zum Geschäftsführer der Tochter-GmbH

1. Personenidentität
2. Auflösung des Interessenkonflikts durch § 181 BGB
a) Anwendbarkeit des § 181 BGB im Gesellschaftsrecht
b) Keine Verdrängung von § 181 BGB durch gesellschaftsrechtliche Regelungen
c) § 181 BGB bei der Beschlussfassung
3. Kein Fall des § 112 Satz 1 AktG
a) Direkte Anwendung des § 112 Satz 1 AktG
b) Analoge Anwendung des § 112 Satz 1 AktG
c) Zwischenergebnis
4. Kein Fall des § 47 Abs. 4 GmbHG
5. Das Wettbewerbsverbot des § 88 Abs. 1 Satz 2 AktG
IV. Bisherige Rechtsprechung des BGH und der OLG
1. BGH v. 9.12.1969
2. Das Doppelurteil des BGH v. 15.1.2019
3. Obergerichtliche Rechtsprechung
4. Zwischenergebnis
V. Selbstbestellung unter Verstoß gegen § 181 Var. 1 BGB
VI. Vorbeugende Corporate Governance

1. Dauerhafte Gestattung
a) Satzungsermächtigung durch die Hauptversammlung
b) Gestattung durch den Aufsichtsrat
c) Keine dauerhafte Gestattung durch den Vorstand
d) Beschränkung im Innenverhältnis
2. Gestattung im Einzelfall
a) Gestattung durch den Aufsichtsrat
b) Keine Gestattung durch die Hauptversammlung
c) Keine Gestattung durch den Vorstand
VII. Exkurs: Die Muttergesellschaft als GmbH
VIII. Fazit


I. Einleitung

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Das OLG Frankfurt hat mit Beschluss vom 4.1.2022 – 20 W 225/20 entschieden, dass die Selbstbestellung des Vorstands einer beherrschenden AG zum Geschäftsführer in einer Tochter-GmbH in den Anwendungsbereich des § 181 Var. 1 BGB fällt. Die Regelungen von § 112 AktG und § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG sind hingegen nicht anwendbar. Dieser Beitrag zeigt auf, dass der Beschluss des OLG Frankfurt folgerichtig ist und wie sich der BGH bisher in dieser Fragestellung positioniert hat. Darüber hinaus werden Wege skizziert, wie Konzerne eventuelle Konflikte im Zusammenhang mit der Selbstbestellung von Organen durch eine geeignete Corporate Governance entschärfen können.

II. Der Beschluss des OLG Frankfurt
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Das OLG Frankfurt hatte darüber zu entscheiden, ob sich der Vorstand einer Mutter-AG selbst zum Geschäftsführer einer Tochter-GmbH bestellen kann, deren alleinige Gesellschafterin die Mutter-AG ist. Im Rahmen des Beschlusses hat das OLG Frankfurt erörtert, inwiefern eine Selbstbestellung zu einem Interessenkonflikt führt und wie mit einem solchen Interessenkonflikt umzugehen ist.

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In einem ersten Schritt hat das OLG Frankfurt bejaht, dass die Selbstbestellung von Organträgern zu Interessenskonflikten führt. Denn die Organträger räumen sich selbst durch die eigene Bestellung zum Geschäftsführer der GmbH weitere Rechte ein. Nach Ansicht des OLG Frankfurt erfolgt die Auflösung dieses Interessenkonflikts allein über § 181 Var. 1 BGB. Denn der Vorstand handele im Rahmen der Bestellung einerseits als Vertreter der Mutter-AG und andererseits als künftiger Geschäftsführer der Tochter-GmbH. Dem Beschluss des OLG Frankfurt ist zuzustimmen.

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Das OLG stellt zudem klar, dass eine Anwendung des Stimmverbots gem. § 47 Abs. 4 GmbHG nicht in Betracht kommt, da der Interessenkonflikt auf Ebene der Mutter-AG liegt und nicht auf Ebene der Tochter-GmbH. Weiterhin argumentiert das OLG zutreffend, dass in einer Selbstbestellung kein Verstoß gegen § 112 AktG liegt, wonach der Aufsichtsrat die AG gegenüber dem Vorstand vertritt. Denn die Beschlussfassung in der Tochter-GmbH zur Bestellung des Vorstands als Geschäftsführer ist aus Sicht der Mutter-AG eine Maßnahme innerhalb der GmbH.

III. Selbstbestellung des Vorstands zum Geschäftsführer der Tochter-GmbH
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Fälle der Selbstbestellung von Doppelmandatsträgern werden nicht von den gesellschaftsrechtlichen Spezialregelungen in § 112 AktG oder § 47 Abs. 4 GmbHG erfasst. Diese haben (partiell) andere Anwendungsbereiche, da sie auf die unbefangene Willensbildung innerhalb der jeweiligen Gesellschaft zielen. § 47 Abs. 4 GmbHG adressiert die Interessenkollision zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter. § 112 Satz 1 AktG löst Interessenskonflikte im Rahmen der Vertretung der AG gegenüber dem Vorstand. Der bei Selbstbestellung als Organakt der Tochter-GmbH relevante Interessenkonflikt beseht jedoch nicht innerhalb der AG. Vielmehr ist das Verhältnis zwischen dem handelnden Vorstandsmitglied und der von ihm bei der Beschlussfassung in der GmbH vertretenen Mutter-AG von Bedeutung. Die Bestellung zum Geschäftsführer in der Tochter-GmbH betrifft ausschließlich das Rechtsverhältnis zwischen der (beschlussfassenden) GmbH und dem (neuen) Geschäftsführer und stellt somit kein von § 112 Satz 1 AktG erfasstes Geschäft zwischen AG und Vorstandsmitglied dar. Dieser Interessenkonflikt wird durch die allgemeine Regelung des § 181 Var. 1 BGB aufgelöst.

1. Personenidentität
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Die von dem OLG Frankfurt in seinem Beschluss behandelten Themenkomplexe sind nur von Bedeutung, wenn sich der Vorstand einer Mutter-AG selbst zum Geschäftsführer der Tochter-GmbH bestellt. Insoweit muss zwischen dem Vorstand der Mutter-AG und dem neu bestellten Geschäftsführer der Tochter-GmbH Personenidentität bestehen (sog. Doppelmandat).

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Ohne Weiteres ist es hingegen möglich, dass andere vertretungsberechtigte Vorstandsmitglieder der Mutter-AG den Doppelmandatar, der auch Mitglied des Vorstands der Mutter-AG ist, zum Geschäftsführer der Tochter-GmbH bestellen. Ausnahmen von diesem Grundsatz bestehen lediglich, sofern (i) das andere Vorstandsmitglied (auch) selbst zum Geschäftsführer in der Tochter-GmbH bestellt werden soll (gemeinsame Selbstbestellung) oder (ii) ein Umgehungsgeschäft vorliegt, das in seiner Gesamtbetrachtung einer Selbstbestellung entspricht. Letzteres liegt insb. bei einer gegenseitigen Über-Kreuz-Bestellung vor, also in der nacheinander vorgenommenen...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 25.10.2022 10:29
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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