Weitere aktuelle Rechtsprechung in Leitsätzen (KW 44)

Hier finden Sie die Leitsätze ausgewählter aktueller Entscheidungen aus dem Unternehmensrecht.

BGH 10.2.2022, 3 StR 329/21
Ermessensspielräume und Informationspflichten der Vorstandsmitglieder

1. Dem Vorstand einer AG muss bei der Leitung der Geschäfte eines Unternehmens ein weiter Handlungsspielraum zugebilligt werden, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit nicht denkbar ist. Dazu gehört neben dem bewussten Eingehen geschäftlicher Risiken grundsätzlich auch die Inkaufnahme der Gefahr, bei der wirtschaftlichen Betätigung Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen zu unterliegen.

2. Aufgrund seiner Informationspflicht ist der Vorstand in der konkreten Entscheidungssituation zur Ausschöpfung aller verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art verpflichtet, um auf dieser Grundlage die Vor- und Nachteile der bestehenden Handlungsoptionen sorgfältig abzuschätzen und den erkennbaren Risiken Rechnung zu tragen.
(alle nicht amtl.)


KG 10.8.2022 – (4) 161 Ss 104/22 (115/22)
Insolvenzantragspflicht bei Führungslosigkeit einer englischen Limited

1. Den Gesellschafter einer Private Company Limited by Shares (Ltd.) englischen Rechts trifft im Fall der Führungslosigkeit nicht die strafbewehrte Insolvenzantragspflicht des § 15a Abs. 1 StGB.

2. Der eindeutige Wortlaut des § 15a Abs. 3 StGB verhindert, dass sich der Gesellschafter einer führungslosen Ltd. gem. § 15a Abs. 4, 5 InsO wegen Insolvenzverschleppung strafbar macht.
(alle nicht amtl.)


KG 5.5.2022, 22 W 6/22
Bestellung eines Prüfers nach § 183a AktG

Im Verfahren auf gerichtliche Bestellung eines Prüfers bei der Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen ohne Prüfung nach § 183a Abs. 3 Satz 1 AktG sind die notwendigen Aufwendungen der antragstellenden Aktionäre von diesen zu tragen.
(amtl.)


BFH 23.3.2022, III R 35/20
Gewerbesteuerpflicht einer Immobilien-GmbH bzw. Betriebsstätte bei Einschaltung einer Dienstleistungsgesellschaft

1. Eine Betriebsstätte i.S.v. § 12 Satz 1 AO erfordert eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).

2. Unter bestimmten Voraussetzungen können auch Räumlichkeiten dann eigene Betriebsstätten i.S.d. § 12 Satz 1 AO sein, wenn es sich hierbei um solche einer eingeschalteten Dienstleistungs- oder Managementgesellschaft handelt und hierüber kein vertraglich eingeräumtes eigenes Nutzungsrecht besteht (BFH, Urt. v. 23.2.2011 – I R 52/10, BFH/NV 2011, 1354; v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFHE 234, 339 = BStBl. II 2014, 764 = FR 2012, 39 m. Anm. Elser/Bindl). Dies gilt aber nur, wenn die fehlende Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung oder Anlage des Dritten durch eine eigene unternehmerische Tätigkeit vor Ort ersetzt wird (beispielsweise Identität der Leitungsorgane, fortlaufende nachhaltige Überwachung in den Räumlichkeiten des Auftragsnehmers).

3. Ohne eine gewisse räumliche und zeitliche „Verwurzelung“ des Unternehmens vor Ort fehlt es an dem für eine Betriebsstättenbegründung erforderlichen Dienen der Geschäftseinrichtung oder Anlage für eigene unternehmerische Zwecke i.S.d. § 12 Satz 1 AO. Allein die Übertragung von auch umfassenden Aufgaben ohne gleichzeitig eigene betriebliche Tätigkeiten vor Ort macht die Betriebsstätte des Auftragnehmers nicht zur Betriebsstätte des Auftraggebers.
(alle amtl.)

 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 02.11.2022 08:50
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

zurück zur vorherigen Seite