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Die Erfolgsgeschichte der Limited Liability Company in den Vereinigten Staaten - Gegenstück zu GmbH oder GmbH & Co. KG? (Fleischer, GmbHR 2022, 1179)

Die Limited Liability Company (LLC) bildet inzwischen die beliebteste Organisationsform in den Vereinigten Staaten. Der folgende Beitrag geht den Ursprüngen dieser Rechtsformneuschöpfung nach, erläutert ihre Grundstrukturen und unterzieht sie unter verschiedenen Gesichtspunkten einer rechtspolitischen Würdigung. Schließlich unternimmt er einen gesellschaftsrechtlichen Typenvergleich der LLC mit GmbH und GmbH & Co. KG.

I. Einführung
II. Die Geburtsstunde der LLC
III. Die LLC im Gefüge der Gesellschaftsformen und Besteuerungsgrundlagen

1. Verfügbare Gesellschaftsformen
2. Steuerliche Rahmenbedingungen
IV. Entstehungsprozess und Entwicklungslinien der LLC
1. Die Hamilton Brothers Oil Company als Impulsgeber
2. Unternehmensanwälte als Lobbyisten in Alaska und Wyoming
3. Schleppende Verbreitung der LLC in anderen Bundesstaaten
4. Der zähe Kampf um die Besteuerung der LLC als partnership
5. Boomende LLC-Gesetzgebung in den US-amerikanischen Bundesstaaten
6. Der Aufstieg der LLC in Zahlen
7. Einsatzfelder der LLC
8. Aus- und inländische Regelungsvorbilder für die LLC
V. Grundstrukturen der LLC
1. Große Variationsbreite der LLC in den einzelnen Bundesstaaten
2. Rechtsnatur der LLC
3. Gründungsurkunde und Governance-Vereinbarungen
4. Organisationsstruktur
5. Vertragsfreiheit als gesetzlicher Leitstern
6. Haftungsverfassung
7. Mitgliedschaftliche Rechte und Pflichten
8. Anteilsübertragung
VI. Rechtspolitische Würdigung
1. Initiatoren und Unterstützer der LLC
2. Steuerrecht als Entwicklungstreiber
3. Wirtschaftliche Kontextbedingungen
4. Wettbewerb der Einzelstaaten-Gesetzgeber
5. Wettbewerb der Gesellschaftsformen
6. Konzeptionelle Einordnung
7. Entstehung der LLC im Lichte verschiedener Theorieangebote
a) Politische Ökonomie des Gesellschaftsrechts
b) Innovations- und Diffusionsforschung
c) Evolutionstheorie
8. Wegbereiter für weitere Rechtsformneuschöpfungen
VII. Gesellschaftsrechtlicher Typenvergleich
1. Ähnlichkeitsanalyse mit der GmbH
2. Ähnlichkeitsanalyse mit der GmbH & Co. KG
3. Schlussfolgerung


I. Einführung
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Die GmbH gilt neben der culpa in contrahendo als erfolgreichster Exportartikel des deutschen Privatrechts. Sie hat seit dem frühen 20. Jahrhundert einen beispiellosen Siegeszug innerhalb und außerhalb Europas angetreten und ist heute in über 100 Ländern auf der Welt zu Hause. In den Vereinigten Staaten vermochte sie sich allerdings nicht durchzusetzen. Wer dort nach einem Gegenstück zur GmbH Ausschau hält, wird im rechtsvergleichenden Schrifttum zumeist auf die close corporation verwiesen: „Die GmbH im US-amerikanischen Recht – Close Corporation“, so lautet der Titel einer vorzüglichen Monographie aus dem Jahre 1993. Dieser Befund traf damals gewiss das Richtige und ist auch heute nicht falsch. Er bedarf allerdings der Ergänzung, weil sich seit Mitte der 1990er Jahre die Limited Liability Company (LLC) in den Vereinigten Staaten rasant ausgebreitet und inzwischen der corporation den Rang als beliebteste Organisationsform abgelaufen hat. Was es mit dieser Rechtsformneuschöpfung genau auf sich hat und wie sie zu den Kategorien des deutschen Gesellschaftsrechts steht, hat man hierzulande abseits steuerrechtlicher Zusammenhänge bisher nur selten thematisiert.

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Der vorliegende Beitrag unternimmt es, dem deutschen Leser die faszinierende Erfolgsgeschichte der LLC in den Vereinigten Staaten näherzubringen. Er ordnet die LLC nach einigen Basisinformationen (II., Rz. 3) in das Gefüge der dortigen Gesellschaftsformen und Besteuerungsgrundlagen ein (III., Rz. 4 ff.) und zeichnet sodann ihren Entstehungsprozess sowie ihre Entwicklungslinien nach (IV., Rz. 8 ff.). Anschließend erläutert er ihre Grundstrukturen (V., Rz. 24 ff.) und unterzieht die LLC aus verschiedenen Blickwinkeln einer rechtspolitischen Gesamtwürdigung (VI., Rz. 37 ff.). Am Schluss steht ein gesellschaftsrechtlicher Typenvergleich mit GmbH und GmbH & Co. KG (VII., Rz. 53 ff.).

II. Die Geburtsstunde der LLC
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Die Geburtsstunde der LLC schlug am 3.3.1977. An diesem Donnerstag trat in Wyoming, dem bevölkerungsärmsten Bundesstaat der Vereinigten Staaten, der Limited Liability Company Act in Kraft. Er fand zunächst nur auf lokaler Ebene Beachtung und selbst dort prophezeite man ihm keine große Zukunft. Niemand konnte sich damals vorstellen, dass diese neue Rechtsform innerhalb von nur zwanzig Jahren einen wahren Siegeszug weit über Wyomings Grenzen hinaus antreten sollte, den man im Nachhinein als „LLC Revolution“ bezeichnet. Bereits Ende 1996 hatten im föderalen US-amerikanischen Gesellschaftsrecht sämtliche Bundesstaaten und der District of Columbia eigene Versionen des LLC Act verabschiedet. Inzwischen hat die LLC mit ihrem hybriden Charakter zwischen Personen- und Kapitalgesellschaft die corporation als beliebteste Gesellschaftsform abgelöst. Schätzungen zufolge sind heute 70 Prozent aller neugegründeten Gesellschaften als LLC organisiert. Auch in vielen casebooks wird die LLC inzwischen ausführlicher abgehandelt, nachdem die Rechtslehre von ihr lange Zeit kaum Notiz genommen hatte.

III. Die LLC im Gefüge der Gesellschaftsformen und Besteuerungsgrundlagen

1. Verfügbare Gesellschaftsformen

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Ursprünglich gab es in den Vereinigten Staaten nur zwei Gesellschaftsformen: die general partnership, die keiner staatlichen Genehmigung bedurfte, und die corporation, welche erst durch einen staatlichen Hoheitsakt ins Leben trat. Die allerersten Kolonialgesellschaften erhielten ihre corporate charters noch unmittelbar vom englischen König. Nach der Amerikanischen Revolution nahmen die einzelnen Bundesstaaten dieses Recht für sich in Anspruch und knüpften die Erlaubnis zur Inkorporierung zunächst an einen gemeinwohlorientierten Unternehmenszweck, bevor sie ab 1811 allgemeine Inkorporationsgesetze einführten. Sodann kamen zwei weitere Organisationsformen hinzu: die limited partnership (LP), die zuerst 1822 in New York Fuß fasste, und der business trust, der vor allem in Massachusetts verbreitet war. Beide vermochten sich jedoch nur in einzelnen Marktnischen durchzusetzen, die LP vor allem als Verlustzuweisungsgesellschaft und Steuersparmodell in der Öl- und Gaserkundung, der Immobilien- und Leasingbranche sowie in der Filmindustrie. Nach alledem stand den Gesellschaftsgründern bis Mitte der 1970er Jahre keine sonderlich große Auswahl an Organisationsformen zur Verfügung.

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Mit der erfolgreichen Einführung der LLC hat sich die gesellschaftsrechtliche Landschaft in den Vereinigten Staaten wesentlich verändert, weil seither eine attraktive neue Mischform zur Verfügung steht, die Elemente der beiden hergebrachten Grundmodelle partnership und corporation miteinander kombiniert. Zugleich hat die LLC die Entstehung weiterer neuer Gesellschaftsformen beflügelt, namentlich die limited liability partnership (LLP), die im Jahre 1991 in Texas das Licht der Welt erblickte. Hinzu gesellt sich noch die limited liability limited partnership (LLLP). Alle diese neuen Rechtsformen werden im wissenschaftlichen Schrifttum unter den Sammelbezeichnungen „alternative entities“ , „unincorporated business entities“ oder „uncorporations“ zusammengefasst. Eine Literaturstimme spricht launig von einer gesellschaftsrechtlichen Buchstabensuppe.

2. Steuerliche Rahmenbedingungen
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Unternehmensgründer machen ihre Auswahlentscheidung zwischen den verfügbaren Rechtsformen von verschiedenen Faktoren abhängig, zu denen seit jeher auch der steuerliche Belastungsvergleich gehört. Dieser verdient hier besondere Aufmerksamkeit, weil die Entstehung der LLC wesentlich durch...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.11.2022 16:02
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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