Aktuell in der GmbHR

Die abhängige Beschäftigung des Geschäftsführers einer GmbH nach § 7 Abs. 1 SGB IV im Lichte der aktuellen Rechtsprechung des 12. Senats des BSG (Haase, GmbHR 2022, 1225)

Das BSG hat mit drei Urteilen vom 1.2.2022 seine Rechtsprechung zur abhängigen Beschäftigung des Geschäftsführers einer GmbH nach § 7 Abs. 1 SGB IV erneut justiert und dabei zugleich auch verschärft. Bislang hat das BSG vom Geschäftsführer lediglich eine „Verhinderungsmacht“ gefordert, um sich der abhängigen Beschäftigung und damit der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung zu entziehen. Nun verlangt das BSG von ihm zudem eine „umfassend mitbestimmende unternehmerische Gestaltungsmacht“, um mit ihr die Ausrichtung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens auch umfassend mitbestimmen zu können. Der nachfolgende Beitrag analysiert diese neue Rechtsprechung des BSG, stellt sie in den Zusammenhang seiner bisherigen Judikatur und zeigt Konsequenzen für die Praxis auf.

I. Einleitung
II. „Beschäftigung“ gem. § 7 Abs. 1 SGB IV

1. Normzweck des § 7 Abs. 1 SGB IV
2. Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals der „Beschäftigung“
gem. § 7 Abs. 1 SGB IV
III. Geschäftsführer als Beschäftigter gem. § 7 Abs. 1 SGB IV
1. „Beschäftigung“ des Geschäftsführers gem. § 7 Abs. 1 SGB IV im Lichte der bisherigen Rechtsprechung des 12. Senats des BSG
a) Beteiligung am Stammkapital der GmbH und die sich hieraus ergebende „Verhinderungsmacht“ als Maßstab der persönlichen Abhängigkeit
b) Fallgruppen
aa) Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer
bb) Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer
(1) Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer mit echter Sperrminorität
(2) Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer ohne echte Sperrminorität
cc) Fremdgeschäftsführer
2. „Beschäftigung“ des Geschäftsführers nach § 7 Abs. 1 SGB IV im Lichte der aktuellen Rechtsprechung des 12. Senats des BSG
a) „Rechtsmacht“: „Verhinderungsmacht“ und „umfassend mitbestimmende unternehmerische Gestaltungsmacht“
b) Fallgruppen
aa) Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer
bb) Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer
(1) Auswirkungen auf den sozialversicherungsrechtlichen Status des Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführers
(2) Konkrete Einzelfälle
(a) Keine Sperrminorität für alle Beschlüsse
(b) Sonderrecht auf Geschäftsführung
(c) Sonderrecht auf Geschäftsführung und Freistellung von Weisungen
(d) Sonderrecht auf Geschäftsführung und „sanktionslose“ Nichtbefolgung von Weisungen
(e) Sonderrecht auf Geschäftsführung und Aufsichtsrat
c) Fremdgeschäftsführer
IV. Ergebnis


I. Einleitung

1
Die Diskussion um den Status des Geschäftsführers als abhängig Beschäftigter gem. § 7 Abs. 1 SGB IV ist Legende. Diese Diskussion ist nicht nur akademischer Natur, sondern vor allem auch von erheblicher praktischer Relevanz, geht doch mit der abhängigen Beschäftigung gem. § 7 Abs. 1 SGB IV nicht nur die Versicherungs‑, sondern auch die durchaus nicht unerhebliche Beitragspflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung einher.

2
Lau weist zutreffend darauf hin, dass sich die Rechtsprechung des für das Beitrags- und Mitgliedschaftsrecht zuständigen 12. Senats des BSG in den letzten Jahren mit zum Teil erheblichen Folgen für die Betroffenen gewandelt hat. Schlegel bemerkt hingegen – pro domo – euphemistisch, dass der 12. Senat des BSG zum Begriff der abhängigen Beschäftigung des Geschäftsführers gem. § 7 Abs. 1 SGB IV „Fallgruppen gebildet und den Begriff durch zahlreiche, immer wieder in Nuancen variierte Formulierungen („Obersätze“) näher zu erläutern versucht“ habe.

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Erst kürzlich hat der 12. Senat des BSG diese „erläuternde“ Vorgehensweise mit drei Urteilen vom 1.2.2022 fortgeführt und seine Rechtsprechung zur abhängigen Beschäftigung des Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführers gem. § 7 Abs. 1 SGB IV durch eine weitere „Nuance“ präzisiert. Dies soll zum Anlass genommen werden, um diese Rechtsprechung näher zu beleuchten, sie in den Zusammenhang der bisherigen Rechtsprechung des 12. Senats des BSG zu stellen und ihre Konsequenzen für die verschiedenen „Typen“ von Geschäftsführern aufzuzeigen.

II. „Beschäftigung“ gem. § 7 Abs. 1 SGB IV
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Beurteilungsmaßstab für eine abhängige Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Diese Vorschrift enthält die für das gesamte Sozialrecht zentrale Bestimmung des Begriffs der abhängigen Beschäftigung gegen Entgelt.

1. Normzweck des § 7 Abs. 1 SGB IV
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Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV ergänzt, dass Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers sind.

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§ 7 Abs. 1 SGB IV dient in erster Linie der Abgrenzung des sozialversicherungsrechtlich geschützten Personenkreises von den nicht versicherungs- und nicht beitragspflichtigen Selbständigen. Zusammen mit §§ 2, 14 SGB IV schafft die in § 7 Abs. 1 SGB IV enthaltene Legaldefinition der Beschäftigung den für alle gesetzlichen Sozialversicherungszweige maßgeblichen Anknüpfungspunkt, nach dem sich die Beitragspflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung richtet.

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Der die sozialversicherungsrechtliche Beschäftigung regelnden Vorschrift des § 7 SGB IV kommt daher in der Praxis eine nicht unerhebliche Bedeutung zu, knüpft doch die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung an das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses gegen Entgelt an. Ein solches Beschäftigungsverhältnis ist somit die „Grundvoraussetzung für eine Sozialversicherungspflicht kraft Gesetzes“. Hierdurch soll die historische gesetzgeberische Zielsetzung eines Schutzes der abhängig arbeitenden Bevölkerung durch eine gesetzliche „Zwangssozialversicherung“ sichergestellt werden.

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Da § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV festlegt, dass eine abhängige Beschäftigung „insbesondere in einem Arbeitsverhältnis“ gegeben ist, ist ein Arbeitsverhältnis gem. § 611a BGB immer auch ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis. Diese Formulierung verdeutlicht zugleich aber auch, dass eine abhängige Beschäftigung auch außerhalb eines Arbeitsverhältnisses gem. § 611a BGB gegeben sein kann, die Begriffe des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses und des Arbeitsverhältnisses also nicht deckungsgleich sind, sondern zwei selbständige nebeneinander bestehende Rechtsinstitute. So kann ein abhängiges sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis auch außerhalb eines Arbeitsverhältnisses gegeben sein, so z.B. im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses, namentlich eines freien Dienstverhältnisses eines Geschäftsführers.

2. Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals der „Beschäftigung“ gem. § 7 Abs. 1 SGB IV
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Das in § 7 Abs. 1 SGB IV geregelte Tatbestandsmerkmal der „Beschäftigung“ darf nicht als eine verbindliche Definition verstanden werden, sondern lediglich „im Sinne eines ‚Typus‘, also einer weitgehend ‚offenen‘ Umschreibung“. Auch die in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV genannten „Tätigkeit nach Weisung“ und „Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers“ sind, wie das Gesetz selber ausführt, lediglich...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 06.12.2022 13:12
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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