Aktuell in der GmbHR

Neue Risiken bei der Gründung einer GmbH & Still und deren ertragsteuerlichen Rechtsfolgen (Görgen/Schleicher, GmbHR 2023, 380)

In den letzten Jahren hat sich der BFH in einer Vielzahl von Entscheidungen mit der atypisch stillen Gesellschaft beschäftigt. Dabei arbeitete er insbesondere heraus, ab wann der sich still Beteiligende die Schwelle zum Mitunternehmer überschreitet. Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang zwei aktuelle Urteile des BFH, bei denen die Mitunternehmerinitiative von still Beteiligten nicht aus dem Gesellschaftsvertrag selbst, sondern aus der Rechtsbeziehung zur GmbH als Geschäftsinhaberin abgeleitet wird. In diesem Beitrag werden diese beiden BFH-Urteile analysiert – Folgen und Gefahren dieser Rechtsprechung dargestellt und kritisch bewertet. Gleichzeitig wird die Gründung einer atypisch stillen Gesellschaft beleuchtet.

I. Systematik der stillen Beteiligung an einer GmbH im Ertragsteuerrecht
1. Steuerliche Vor- und Nachteile einer GmbH & atypisch Still
2. Bisherige Leitlinien der Rechtsprechung
3. Beispielsfall zur ertragsteuerlichen Behandlung der GmbH & atypisch Still
II. Aktuelle Rechtsprechung zur Gründung einer GmbH & atypisch Still
1. BFH v. 13.7.2017 – IV R 41/14
2. BFH v. 12.4.2021 – VIII R 46/18
III. Folgerungen zur einheitlichen Betrachtung des stillen Gesellschafters
1. Neue Maßstäbe zur Gründung einer GmbH & atypisch Still greifen weitreichend in Betriebsstrukturen ein
2. Kritik


I. Systematik der stillen Beteiligung an einer GmbH im Ertragsteuerrecht
1
Die stille Beteiligung am Handelsgewerbe eines anderen gem. §§ 230 ff. HGB bietet einige Vorteile gegenüber offenen Beteiligungsverhältnissen. So kann der sich still Beteiligende am Handelsgewerbe des Geschäftsinhabers mitwirken und an dessen wirtschaftlichem Erfolg teilnehmen ohne in Erscheinung zu treten und gleichwohl, jedenfalls im Vergleich zum Darlehensgeber, höhere Beteiligungserträge erzielen. Der Geschäftsinhaber verdeckt durch eine stille Beteiligung zunächst sein Bedürfnis an Kapital, kann gleichwohl liquide Mittel akquirieren. Überdies kann durch Einräumung einer stillen Beteiligung auch die Unternehmensnachfolge eingeleitet werden.

2
Steuerlich birgt eine stille Beteiligung an einem Handelsgewerbe indes Abgrenzungsprobleme. So sieht der Gesetzgeber für den sich still Beteiligenden gleich zwei Besteuerungsmöglichkeiten im EStG vor. Der sich typisch still Beteiligende wird in § 20 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG dem partiarischen Darlehensgeber gleichgestellt, während der sich atypisch still Beteiligende als vollwertiger Mitunternehmer einer gewerblichen Mitunternehmerschaft Einkünfte gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erzielt. Zur Abgrenzung zwischen beiden steuerrechtlichen Beteiligungsformen ist dabei der Umfang der Teilhabe des stillen Beteiligten am unternehmerischen Erfolg und an den unternehmerischen Entscheidungen maßgeblich, mithin, ob dieser als Mitunternehmer anzusehen ist oder nicht. Dies galt es jahrzehntelang anhand des Vertrags zur stillen Gesellschaft zu bestimmen. Nach der jüngsten, sich nunmehr verfestigenden Rechtsprechungslinie können indes gerade bei der GmbH & Still auch mittelbare Beteiligungsverhältnisse für die Herleitung einer Mitunternehmerstellung herangezogen werden. Bis sich hierzu wiederum rechtssichere Leitlinien in der Rechtspraxis entwickelt haben, birgt die GmbH & Still damit neben vielen (außer)steuerlichen Chancen auch Risiken, deren Tragweite nachfolgend skizziert werden sollen.

3
Die schmale steuerrechtliche Trennlinie zwischen der typisch und atypisch stillen Beteiligung ermöglicht es, die Vor- und Nachteile der Besteuerung nach § 15 EStG und nach § 20 EStG auf Gesellschafter- wie Gesellschaftsebene bei der Gestaltung bewusst miteinzubeziehen.

1. Steuerliche Vor- und Nachteile einer GmbH & atypisch Still
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So kann der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft infolge einer atypisch stillen Beteiligung aufgrund des Transparenzprinzips an Verlusten der Gesellschaft partizipieren, muss sich im Gewinnfall aber auch das ihm zugeordnete Ergebnis der Gesellschaft zum Ende des Wirtschaftsjahres zuflussunabhängig zurechnen lassen. An die Anteilseigner gezahlte Miet- und Darlehenszinsen sowie Geschäftsführergehälter mindern den Gewinn einer GmbH, während bei einer Mitunternehmerschaft ebendieser Aufwand durch den korrespondierenden Ertrag im Sonderbereich neutralisiert wird. Einzelwirtschaftsgüter können bei der atypisch stillen Gesellschaft gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG zwischen Sonderbetriebsvermögen und steuerrechtlichem Gesamthandsvermögen zum Buchwert übertragen werden, was infolge des Trennungsprinzips im Verhältnis Anteilseigner zur GmbH nicht möglich ist. Der Gewerbesteuerfreibetrag gem. § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG erhöht sich für den Gewerbebetrieb durch die Gestaltung mit einer GmbH & atypisch Still überdies auf 24.500 €.

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Besondere Aufmerksamkeit ist bei der GmbH & atypisch Still, wie bei jeder gewerblichen Mitunternehmerschaft, jedoch mit Blick auf § 16 EStG geboten, da bei Wegfall der Voraussetzungen der atypisch stillen Beteiligung ein Aufdecken stiller Reserven möglich ist.

2. Bisherige Leitlinien der Rechtsprechung
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Mit Blick auf die Chancen und Risiken einer atypisch stillen Beteiligung ist es angesichts der dargestellten Abgrenzungsproblematiken nicht verwunderlich, dass der BFH in den letzten Jahren in zahlreichen Entscheidungen die Voraussetzungen und Rechtsfolgen dieser besonderen Beteiligungsform auszuleuchten hatte. Dabei hat der BFH kontinuierlich die steuerrechtliche Emanzipation der atypisch stillen Gesellschaft hin zu einer vollwertigen gewerblichen Mitunternehmerschaft vorangetrieben. Hieraus hat auch die Finanzverwaltung Folgerungen gezogen. So ist im Fall des Vorliegens einer atypisch stillen Gesellschaft der Geschäftsinhaber ab dem Wirtschaftsjahr 2018 nach dem BMF-Schreiben vom 24.11.2017 dazu verpflichtet, neben seiner eigenen Gewinnermittlung auch...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 18.04.2023 12:26
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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