Aktuell in der GmbHR

Änderung der Gesellschafter-Nachhaftung durch das MoPeG gem. § 728b BGB n.F. und § 137 HGB n.F. (Wertenbruch/Döring, GmbHR 2023, 649)

Das MoPeG führt in Bezug auf die persönliche Nachhaftung im Fall des Ausscheidens aus einer rechtsfähigen Personengesellschaft sowie bei Umwandlung einer OHG, PartG oder GbR in eine KG zu einem Paradigmenwechsel. Das Amendment betrifft insbesondere die Schadensersatzhaftung in der fünfjährigen Nachhaftungsphase. Im Fokus stehen die Konstellationen, in denen zwar der Vertrag mit dem Gesellschaftsgläubiger schon vor dem Ausscheiden bzw. der Umwandlung geschlossen wurde, das schadensstiftende Ereignis aber erst nach einer dieser Statusveränderungen eintritt. Große praktische Relevanz hat das neue Recht der Nachhaftungsbegrenzung für Anwaltskanzleien und sonstige Freiberufler-Sozietäten in der Rechtsform der Personengesellschaft, sofern die Mandatierung vor dem für die Nachhaftung maßgeblichen Zeitpunkt erfolgt, aber das Schadensereignis erst im Anschluss daran eintritt. Besonders betroffen sind auch Personengesellschaften, die Mieter einer Immobilie sind oder großvolumige zeitlich gestreckte Liefer‑, Bau- oder Werkverträge zu erfüllen haben. Aufgrund des fehlenden Gesellschaftsregisters für die rechtsfähige GbR kann die fünfjährige Nachhaftungsfrist bei dieser Rechtsform bis dato nicht ab einer Registereintragung des Ausscheidens bzw. der Umwandlung in eine KG erfolgen. Auch dies ändert sich mit Inkrafttreten des MoPeG.

I. Einleitung
II. Meinungsstand zur Schadensersatz-Nachhaftung auf Grundlage des bislang geltenden Rechts

1. Die Grundsatzentscheidung BGHZ 36, 224 zur Bank-OHG – Unmöglichkeit der Aktienherausgabe nach Ausscheiden eines Gesellschafters
2. Die abweichende Entscheidung des LG Bonn v. 13.4.2010 – 15 O 451/09 zur Anwalts-GbR
III. Die MoPeG-Regelungen § 728b Abs. 1 Satz 2 BGB n.F. und § 137 Abs. 1 Satz 2 HGB n.F. zur Schadensersatz-Nachhaftung – Grundlagen
1. Weitgehende Übernahme des bisherigen Nachhaftungsrechts der GbR und der OHG/KG durch den Gesetzentwurf zum MoPeG
2. Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zur Schadensersatz-Nachhaftung
IV. Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts der Pflichtverletzung i.S.d. § 728b Abs. 1 Satz 2 BGB n.F., § 137 Abs. 1 Satz 2 HGB n.F.
1. Die zentrale Schadensersatznorm des § 280 BGB bei Vertragsverletzungen – Systematik der Ansprüche
2. Verzugsschaden gem. § 280 Abs. 1 i.V.m. §§ 280 Abs. 2, 286 BGB – Fälligkeitszeitpunkt
3. Schadensersatz statt der Leistung gem. § 280 Abs. 1, Abs. 3 i.V.m. § 281 Abs. 1 BGB nach erfolgloser Fristsetzung
a) Zeitpunkt der Pflichtverletzung
b) Keine teleologische Reduktion der § 728b Abs. 1 Satz 2 BGB n.F., § 137 Abs. 1 Satz 2 HGB n.F. beim Schadensersatz statt der Leistung
4. Ausscheiden zwischen Vertragsabschluss und Fälligkeit – Fehler bei der Leistungsvorbereitung
5. Schadensersatz statt der Leistung gem. § 280 Abs. 1, Abs. 3 i.V.m. § 283 BGB wegen zu vertretender nachträglicher Unmöglichkeit
6. Haftung wegen anfänglicher Unmöglichkeit gem. § 311a Abs. 2 BGB
a) Rechtsgrundlage der Haftung
b) Zeitpunkt der Pflichtverletzung i.S.d. § 728b Abs. 1 Satz 2 BGB n.F., § 137 Abs. 1 Satz 2 HGB n.F. bei anfänglicher Unmöglichkeit
7. Gesetzliche Gewährleistungshaftung wegen mangelhafter Leistung (Schlechtleistung)
8. Positive Vertragsverletzung gem. § 280 Abs. 1 BGB – Schadensersatz neben der Leistung
a) Schlechterfüllung des Vertrags bei fehlender spezialgesetzlicher Schadensersatzregelung – Grundlagen
b) Vorliegen eines Übernahmeverschuldens
c) Verletzung einer Nebenpflicht (Schutzpflicht) i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB
aa) Schadensersatz neben der Leistung gem. § 280 Abs. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB
bb) Schadensersatz statt der Leistung gem. § 280 Abs. 1, Abs. 3 i.V.m. § 282 BGB
9. Gesetzliche Schadensersatzansprüche – insbesondere deliktische Haftung gem. § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB; § 826 BGB
V. Nachhaftung des Kommanditisten beim Wechsel in die Rechtsform der KG
1. Nachhaftung gem. § 707c Abs. 5 Satz 1 n.F. i.V.m. § 728b Abs. 1 BGB n.F. beim Statuswechsel von der GbR zur KG
2. Nachhaftung beim Rechtsformwechsel der nicht eingetragenen rechtsfähigen GbR zur KG
3. Nachhaftungsbegrenzung gem. § 137 Abs. 3 Satz 1 HGB n.F. beim Rechtsformwechsel von der OHG zur KG
VI. Neuregelung des Beginns der Fünfjahresfrist durch § 728b Abs. 1 Satz 3 BGB n.F., § 137 Abs. 1 Satz 3 HGB n.F.
1. Beginn der Fünfjahresfrist bei der OHG und KG
2. Beginn der Fünfjahresfrist bei der GbR
VII. Intertemporaler Anwendungsbereich der § 728b Abs. 1 Satz 2 BGB n.F., § 137 Abs. 1 Satz 2 HGB n.F. – Ausscheiden oder Umwandlung vor Inkrafttreten des MoPeG
VIII. Zusammenfassung



I. Einleitung
1
Mit Inkrafttreten des MoPeG * am 1.1.2024 erscheint die bislang bei der Nachhaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters für Schadensersatzverbindlichkeiten der Personengesellschaft ganz im Schatten der h.M. stehende abweichende Auffassung im Gewand des geltenden Rechts. Numerisch zieht die bisher in § 160 HGB geregelte – und über § 736 Abs. 2 BGB für die rechtsfähige GbR sinngemäß geltende – Nachhaftung um in die MoPeG-Paragraphen 728b BGB und 137 HGB. In Bezug auf die im ersten Absatz der neuen Vorschriften determinierten Einzelheiten der fünfjährigen Nachhaftung und die am allgemeinen Verjährungsrecht orientierte Verlängerungsmöglichkeit bleibt ab dem 1.1.2024 alles beim Alten. Das auf die persönliche Haftung für Schadensersatzverbindlichkeiten bezogene Novum residiert in § 728b Abs. BGB n.F. und § 137 Abs. 1 HGB n.F. als Satz 2. Danach haftet ein ausgeschiedener Gesellschafter, wenn die Verbindlichkeit auf Schadensersatz gerichtet ist, nur unter der Voraussetzung, dass auch die zum Schadensersatz führende Verletzung vertraglicher oder gesetzlicher Pflichten vor dem Ausscheiden des Gesellschafters eingetreten ist. Entsprechendes gilt gem. § 707c Abs. 5 Satz 1 BGB n.F. im Fall des Statuswechsels von der GbR zur KG und gem. § 137 Abs. 3 Satz 1 HGB n.F. beim Rechtsformwechsel von der OHG zur KG in Bezug auf die unbeschränkte Nachhaftung der Kommanditisten für Verbindlichkeiten der GbR bzw. OHG.

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Der Beginn der Fünfjahresfrist ist bisher durch § 160 Abs. 1 Satz 2 HGB, der an die Handelsregistereintragung anknüpft, nur fragmentarisch geregelt. Denn die Gläubiger können auch auf andere Weise als durch Registereintragung Kenntnis vom Ausscheiden eines Gesellschafters erlangt haben. Die vom noch geltenden § 736 Abs. 2 BGB für das Ausscheiden eines GbR-Gesellschafters angeordnete entsprechende Anwendung des Nachhaftungsbegrenzungsrechts der Personenhandelsgesellschaften ist in Bezug auf den Fristbeginn nach § 160 Abs. 1 Satz 2 HGB deshalb problematisch, weil das Gesellschaftsregister für die GbR erst zum 1.1.2024 eingeführt wird und daher bislang keine Frist mit einer Registereintragung des Ausscheidens in Lauf gesetzt werden kann. Eine ausschließliche Ankoppelung der Enthaftungsfrist an eine Registereintragung des Ausscheidens wäre aber bei der GbR auch unter der Ägide des MoPeG importun, weil die Eintragung der GbR nach § 707 Abs. 1 BGB n.F. zumindest gesellschaftsrechtlich nur eine Option ist und die Rechtfähigkeit gem. §§ 705 Abs. 2 Var. 1, 719 Abs. 1 BGB n.F. nicht davon abhängt.

II. Meinungsstand zur Schadensersatz-Nachhaftung auf Grundlage des bislang geltenden Rechts

1. Die Grundsatzentscheidung BGHZ 36, 224 zur Bank-OHG – Unmöglichkeit der Aktienherausgabe nach Ausscheiden eines Gesellschafters

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Exponent der h.M., die auf Grundlage des geltenden Rechts bei Begründung des Schuldverhältnisses vor dem Ausscheiden des Gesellschafters eine Nachhaftung für erst danach, aber innerhalb der Fünfjahresfrist des § 160 Abs. 1 HGB eintretende Schadensereignisse uneingeschränkt bejaht, ist die Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1961 zur Unmöglichkeit der Herausgabe von Aktien durch eine Bank-OHG. Im Fall des BGH hatte der Kläger vor dem Ausscheiden des persönlich in Anspruch genommenen OHG-Gesellschafters mit der OHG einen Depotvertrag geschlossen und Aktien in das Girosammeldepot gegeben. Nach dem Ausscheiden verfügte die OHG rechtswidrig über die ihr anvertrauten Aktien zugunsten eines gutgläubigen Erwerbers und machte sich dadurch gegenüber dem Kläger wegen Verletzung des Depotvertrags schadensersatzpflichtig. Der BGH bejahte die Nachhaftung unter Verweis darauf, dass die persönliche Haftung des OHG-Gesellschafters nach seinem Ausscheiden gem. §§ 128, 159 HGB für diejenigen Gesellschaftsverbindlichkeiten bestehen bleibe, die während seiner Mitgliedschaft entstanden seien. Der Depotvertrag als Rechtsgrundlage für die Verpflichtung der OHG zur Herausgabe der Aktien sei zu einem Zeitpunkt geschlossen worden, als der Gesellschafter noch der Gesellschaft angehörte. Die fehlende Fälligkeit des Herausgabeanspruchs zum Zeitpunkt des Ausscheidens wurde vom BGH für die Haftung des Gesellschafters aus § 128 HGB als unerheblich angesehen.

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Der BGH konstatiert zwar, dass die Lage eines OHG-Gesellschafters sich mit seinem Ausscheiden deshalb verschlechtere, weil er keine Möglichkeit mehr habe, die Geschäftsführung zu beeinflussen oder zu kontrollieren. In der Regel erfahre nämlich ein ausgeschiedener Gesellschafter nichts mehr von dem, was in der Gesellschaft geschehe. Die Frage der Nachhaftung für ein Verschulden der OHG nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters berühre aber, so der BGH, den Kern der Rechte des geschädigten Gesellschaftsgläubigers. Ohne eine Schadensersatz-Nachhaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters ist nach Ansicht des BGH der Schutz, den die persönliche Gesellschafterhaftung verschaffen soll, nicht gewährleistet. Daher müsse ein mit der OHG durch unbefristeten Mietvertrag verbundener Vermieter sich darauf verlassen können, dass ein bei Vertragsabschluss vorhandener Gesellschafter auch nach seinem Ausscheiden für die Miete aufkomme und Schadensersatz leiste, wenn die OHG nach diesem Zeitpunkt die Mietsache schuldhaft beschädige. Denn gerade die Kreditwürdigkeit des ausgeschiedenen Gesellschafters könne den Vermieter zum Vertragsabschluss und zur Hingabe der wertvollen Mietsache veranlasst haben. Nichts anderes gelte in dem Fall, in dem die OHG vor dem Ausscheiden eines Gesellschafters einen Depotvertrag abschließe und die Verpflichtung zur Herausgabe der in Verwahrung gegebenen Aktien nach dem Ausscheiden durch ein Verschulden der OHG unmöglich werde. Die ganz h.L. stimmt der Auffassung des BGH zu.

2. Die abweichende Entscheidung des LG Bonn v. 13.4.2010 – 15 O 451/09 zur Anwalts-GbR
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Im Fall des LG Bonn ging es um die Frage der persönlichen Nachhaftung eines aus einer Anwalts-GbR ausgeschiedenen Rechtsanwalts für eine nach seinem Ausscheiden erfolgte schuldhafte Verletzung eines Anwaltsvertrags, der vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen worden war. Ob der Beklagte der GbR als Sozius (Gesellschafter) beteiligt war oder nur den Status eines angestellten Anwalts hatte, war für die persönliche Gesellschafterhaftung deshalb ohne Belang, weil er namentlich als Rechtsanwalt...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 04.07.2023 14:29
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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