Aktuell in der GmbHR
Das neue Hinweisgeberschutzgesetz (Lüneborg, GmbHR 2023, 765)
Wirecard, LuxLeaks, Panama Papers – zahlreiche deutsche und internationale Wirtschaftsskandale der jüngeren Zeit kamen durch Hinweisgeber an das Licht der Öffentlichkeit. Während die Eröffnung geschützter Meldemöglichkeiten bislang weitgehend freiwilliger Bestandteil effektiver Compliance-Management-Systeme war, wird sie durch das Hinweisgeberschutzgesetz bald verpflichtend. Was bedeutet das für Unternehmen und Hinweisgeber?
I. Einleitung
II. Entscheidungsleitbild: Incentivierung zur vorrangigen Nutzung des internen Meldekanals
III. Interne Lösung oder Auslagerung auf einen Dritten?
IV. Konzernlösung
V. Meldewege
1. Zulässige Meldewege
2. Maßgebliche Auswahlkriterien
3. Zusätzliche Anforderungen nach dem LkSG?
VI. Anonyme Meldungen und Vertraulichkeit
VII. Hinweisgeberschutz, geschützte Hinweisgeber, geschützte Meldeinhalte
1. Hinweisgeberschutz
2. Persönlicher Anwendungsbereich
3. Sachlicher Anwendungsbereich
4. Schlussfolgerungen für Unternehmen
VIII. Zuständigkeiten und Hinweismanagement
IX. Kommunikation
1. Informationen zum internen Meldekanal
2. Information zum externen Meldekanal
X. Datenschutzrechtliche Anforderungen
XI. Mitbestimmungsrechtliche Anforderungen
XII. Zusammenfassung
I. Einleitung
Nach einem singulär holprigen Gesetzgebungsverfahren und der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland wegen deutlich verspäteter Umsetzung der EU-Hinweisgeberschutzrichtlinie („HinSch-RL“), hat der deutsche Gesetzgeber im Mai 2023 endlich das Hinweisgeberschutzgesetz („HinSchG“) verabschiedet. Das Gesetz verpflichtet Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten unabhängig von ihrer Rechtsform bereits seit seinem Inkrafttreten am 2.7.2023 zur Bereitstellung sog. interner Meldestellen und zur Gewährleistung von Hinweisgeberschutz. Gegen Unternehmen, die dieser Verpflichtung nicht fristgerecht nachkommen, kann indes erst ab dem 1.12.2023 ein Bußgeld i.H.v. bis zu 20.000 € verhängt werden. Ab dem 17.12.2023 gilt die Verpflichtung auch für Unternehmen mit in der Regel 50 bis 249 Beschäftigten. Während große börsennotierte Gesellschaften häufig bereits über Hinweisgebersysteme verfügen, die keiner oder allenfalls geringfügiger Anpassung an die neuen gesetzlichen Vorgaben bedürfen, besteht bei mittelständischen oder kleinen GmbHs sowie bei Familiengesellschaften häufig umfangreicherer Umsetzungsbedarf. Der nachfolgende Beitrag zeigt auf, welche Themenkreise Unternehmen bei der Einrichtung gesetzeskonformer Meldesysteme adressieren müssen und welche Abwägungsgesichtspunkte relevant sein könnten.
II. Entscheidungsleitbild: Incentivierung zur vorrangigen Nutzung des internen Meldekanals
Unternehmen sollten alle Entscheidungen bzgl. der Einrichtung interner Meldekanäle vor dem Hintergrund des in § 7 Abs. 1 Satz 2 HinSchG geregelten freien Wahlrechts des Hinweisgebers zwischen der Meldung an eine interne Meldestelle und an bei Behörden, wie etwa dem Bundesamt für Justiz, eingerichtete externe Meldestellen, treffen. Dieser Gleichrang interner und externer Meldemöglichkeiten wurde im Gesetzgebungsverfahren zu Recht als kaum vereinbar mit der nationalen und internationalen Judikatur und der HinSch-RL kritisiert. Seit der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses von Dezember 2022 fordert § 7 Abs. 3 Satz 1 HinSchG die Betreiber interner Meldestellen auf, Anreize dafür zu schaffen, dass sich hinweisgebende Personen vor einer Meldung an eine externe Meldestelle zunächst an die jeweilige interne Meldestelle wen-GmbHR 2023, 766den. Eine entsprechende Verpflichtung besteht nach Wortlaut („sollen ... schaffen“) und Gesetzesbegründung („appelliert“) indes nicht. Auf Betreiben des Vermittlungsausschusses wurde im Mai 2023 – quasi in allerletzter Minute – zudem ein neuer § 7 Abs. 1 Satz 2 HinSchG eingefügt, wonach potentielle Hinweisgeber in den Fällen, (i) in denen intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und (ii) sie keine Repressalien befürchten, die Meldung an die interne Meldestelle bevorzugen „sollten“. Im Ergebnis setzt jedoch auch dieser Appell an potentielle Hinweisgeber die Intention des europäischen Gesetzgebers lediglich halbherzig um. Der deutsche Gesetzgeber hat es versäumt, (...)
