OLG Düsseldorf v. 30.8.2023 - VI-3 Kart 129/21 (V) u.a.

Eigenkapitalzinssätze für Strom- und Gasnetzbetreiber aufgehoben

In dem Verfahren um die von der Bundesnetzagentur festgelegten Eigenkapitalzinssätze für Strom- und Gasnetzbetreiber haben die Beschwerden zahlreicher Netzbetreiber Erfolg. Das OLG Düsseldorf hat in 14 repräsentativen Musterverfahren die von der Beschlusskammer 4 der Bundesnetzagentur am 12.10.2021 festgelegten Eigenkapitalzinssätze für Strom- und Gasnetzbetreiber (BK4-21-055 und BK4-21-056) aufgehoben.

Der Sachverhalt:
Bei der Berechnung der von den Netzbetreibern für die Netznutzung durch Strom-und Gaslieferanten zu vereinnahmenden Erlösobergrenzen ist u.a. eine angemessene Verzinsung des vom Netzbetreiber eingesetzten Eigenkapitals zu gewährleisten. Den maßgeblichen Zinssatz legt die Bundesnetzagentur für jede Regulierungsperiode gesondert fest.

Er lag für die erste Regulierungsperiode bei 9,29% für Neuanlagen und bei 7,56% für Altanlagen, für die zweite Regulierungsperiode bei 9,05% bzw. 7,14% und für die dritte Regulierungsperiode bei 6,91% bzw. 5,12%. Für die vierte Regulierungsperiode hat die Bundesnetzagentur den Zinssatz auf 5,07% für Neuanlagen und auf 3,51% für Altanlagen festgesetzt.

Ein Prozentpunkt bedeutet bei der Eigenkapitalverzinsung für die Regulierungsperiode ein Volumen von rd. 1 Mrd. €. Diese Zinssätze werden von den Betreibern als Netzkosten veranschlagt, den Versorgern in Rechnung gestellt und von diesen schließlich an die Endverbraucher weitergegeben. Gegen die Festlegungen legten rd. 900 Netzbetreiber Beschwerde beim OLG Düsseldorf ein, mittels derer sie eine höhere Verzinsung ihres Eigenkapitals erstreben.

Das OLG hat über 14 ausgewählte Musterverfahren von acht Strom- und sechs Gasnetzbetreibern mündlich verhandelt und den Beschwerden nunmehr stattgegeben. Die Beschlüsse sind nicht rechtskräftig. Die Rechtsbeschwerden an den BGH wurden zugelassen.

Die Gründe:
Die Vorgehensweise der Bundesnetzagentur bei der Festlegung der Zinssätze ist im methodischen Ansatz nicht zu beanstanden. Zahlreiche Einwände, die die Netzbetreiber im Konsultations- bzw. den Musterbeschwerdeverfahren gegen die Ermittlung der sog. Marktrisikoprämie als eines für die Bestimmung des Zinssatzes maßgeblichen Faktors erhoben haben, blieben ohne Erfolg.

Zu beanstanden ist aber, dass die Bundesnetzagentur es unterlassen hat, die von ihr allein unter Heranziehung historischer Datenreihen ermittelte Marktrisikoprämie einer weiteren Absicherung, jedenfalls in Form einer ergänzenden Plausibilisierung zu unterziehen. Die Vorgehensweise der Bundesnetzagentur, die Marktrisikoprämie anhand einer einzigen Methode zu ermitteln, ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls nicht geeignet, sicherzustellen, dass die hieraus folgende Eigenkapitalverzinsung angemessen, wettbewerbsfähig und risikoangepasst ist.

Anhaltspunkte, die der Bundesnetzagentur Anlass für eine Überprüfung und Absicherung der von ihr ermittelten Marktrisikoprämie hätten geben müssen, ergeben sich danach im Hinblick auf die Effekte der zurückliegenden Niedrigzinsphase in Verbindung mit dem Umstand, dass sich die für die deutschen Netzbetreiber ermittelte Marktrisikoprämie und der Eigenkapitalzinssatz im internationalen Regulierungsumfeld nunmehr deutlich vom Durchschnitt der Festlegungen anderer Regulierungsbehörden entfernt haben.

Eine weitere gegen die Festlegung der Eigenkapitalzinssätze gerichtete Beschwerde, mit der eine bundesweit tätige Anbieterin von Ökostrom und Ökogas geltend macht, die unzulässige politische Einflussnahme durch den Beirat der Bundesnetzagentur habe zur Festlegung einer überhöhten Eigenkapitalverzinsung geführt, hat der Senat dagegen zurückgewiesen (Az. VI-3 Kart 878/21).

Mehr zum Thema:

Kurzbeitrag:
Bundeskartellamt legt Jahresbericht 2021/22 vor
ZWH 2022, R5

Aufsatz:
Entwicklungen im kartellrechtlichen Bußgeldverfahren
Florian C. Haus / Sebastian Bredebach, ZWH 2021, 81

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 31.08.2023 10:23
Quelle: OLG Düsseldorf PM vom 30.8.2023

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