Weitere aktuelle Rechtsprechung in Leitsätzen (KW 36)

Hier finden Sie die Leitsätze ausgewählter aktueller Entscheidungen aus dem Unternehmensrecht.

KG 17.5.2023, 2 U 159/21
COVID-Erleichterungen für das Umlaufverfahren gelten auch für GmbH mit Satzungsbestimmungen zum Umlaufverfahren

Die in § 2 COVMG in Abweichung von § 48 Abs. 2 GmbHG vorgesehenen Erleichterungen für die Beschlussfassung im Umlaufverfahren (hier: Beschlussfassung durch schriftliche Abgabe der Stimmen auch ohne Einverständnis aller Gesellschafter) sind nicht auf solche GmbH beschränkt, in deren Satzung noch gar keine Regelung für Umlaufbeschlüsse vorgesehen ist (entgegen LG Stuttgart, Urteil vom 25.1.2021 – 44 O 52/20 KfH, Rz. 36 nach juris). Es wäre mit der Zielsetzung der COVID-Sondergesetzgebung nicht zu vereinbaren, würde gerade bei Gesellschaften, die sich für Umlaufbeschlüsse bereits grundsätzlich geöffnet und damit in gewissem Sinne Vorsorge getroffen haben, eine COVID-bedingte Handlungsunfähigkeit hingenommen, während sie bei Gesellschaften ohne solche Vorkehrungen vom Gesetzgeber behoben worden ist.
(amtl.)

 

OLG Hamm 8.3.2023, 8 U 198/20
GmbH, die über fakultativen Aufsichtsrat verfügt, wird im Rechtsstreit mit ausgeschiedenem Geschäftsführer durch Aufsichtsrat vertreten; zur Geschäftsführerhaftung

1. Eine GmbH, die über einen fakultativen Aufsichtsrat verfügt, wird im Rechtsstreit mit ihrem ausgeschiedenen Geschäftsführer durch den Aufsichtsrat vertreten.

2. Die Haftung von Gesellschaftsorganen richtet sich auch bei sog. öffentlichen Unternehmen nach den Haftungsregeln der jeweils gewählten Rechtsform.

3. Im Anstellungsvertrag des Geschäftsführers einer GmbH, deren – mittelbare – Gesellschafterin eine kommunale Gebietskörperschaft ist, kann durch Verweisung auf die Haftungsregeln, die für Beamte dieser Körperschaft gelten, der Haftungsmaßstab des § 48 BeamtStG vereinbart werden, der die Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt.

4. Im Zivilprozess kann der Kläger seinen Anspruch durch konkrete Bezugnahme auf ein als Anlage vorgelegtes rechtskräftiges Strafurteil schlüssig darlegen. Gegenüber derart substantiiertem Vorbringen genügt ein schlichtes Bestreiten des Beklagten nicht. Kommt der Beklagte seiner erhöhten Darlegungslast nicht nach, kann der im Strafurteil festgestellte Sachverhalt auch im Zivilverfahren nach eigener Würdigung durch den Zivilrichter zugrunde gelegt werden. Verlangt eine Partei die Vernehmung der von ihr benannten Zeugen, kann dies nicht unter Hinweis auf deren Aussage im Strafprozess oder auf die Feststellungen im Strafurteil abgelehnt werden.

5. Das Gericht kann sich bei der Überzeugungsbildung auf ein von einer Partei eingeholtes Privatgutachten stützen, wenn dieses gegenüber einem gerichtlichen Sachverständigengutachten eine größere Überzeugungskraft besitzt.

6. Die Verweisung auf beamtenrechtliche Vorschriften im Anstellungsvertrag des Geschäftsführers eines öffentlichen Unternehmens hat zur Folge, dass Schadensersatzansprüche nach § 48 BeamtStG i.V.m. § 80 Abs. 1 S. 1 LBG NRW in drei Jahren von dem Zeitpunkt an verjähren, in dem der Dienstherr von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Diese Abweichung von der Vorschrift des § 43 Abs. 4 GmbHG ist wirksam.
(alle amtl.)

 

OLG Schleswig 15.9.2022, 5 U 132/22
Veräußerung von Aktien als Sicherheiten durch eine Bank

Die von einer Bank in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Wertpapierkredits verwandte Klausel, „Die Bank ist berechtigt, aber nicht verpflichtet, zur Wiederherstellung der vereinbarten Deckungsrelationen Depotwerte zu veräußern“, ist nach § 125 Satz 1 BGB i.V.m. § 13 Abs. 1 DepotG formnichtig sowie wegen Verstoßes gegen § 499 Abs. 1, § 512 BGB, wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB und wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.
(amtl.)

 

BFH 9.3.2023, IV R 25/20
Erweiterte Kürzung – keine teleologische Reduktion im Fall von Sondervergütungen an nicht der Gewerbesteuer unterliegende Mitunternehmer

§ 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG ist auch dann anzuwenden, wenn der die Sondervergütung beziehende Gesellschafter nicht der Gewerbesteuer unterliegt.
(amtl.)

 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 05.09.2023 11:39
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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