Weitere aktuelle Rechtsprechung in Leitsätzen (KW 37)

Hier finden Sie die Leitsätze ausgewählter aktueller Entscheidungen aus dem Unternehmensrecht.

OLG Hamburg 17.7.2023, 15 W 13/23
Bestimmung des Vollstreckungsschuldners bei Unterlassungstiteln gegen juristische Person und Organmitglied

Legt gegen einen ursprünglich sowohl gegen eine juristische Person als auch gegen deren Organ inhaltsgleich ergangenen Unterlassungstitel nur die juristische Person einen Rechtsbehelf ein und wird daraufhin ihr gegenüber der Titel mangels Vorliegens einer rechtswidrigen Verletzungshandlung aufgehoben, so kann gegen das Organ kein Ordnungsmittel verhängt werden, wenn es nach der Aufhebung des gegen die juristische Person ergangenen Titels die angegriffene Handlung ausschließlich in Ausübung seiner Organstellung für diese juristische Person wieder aufnimmt (Anschluss an BGH v. 12.1.2012 – I ZB 43/11, BeckRS 2012, 4571 – Titelschuldner im Zwangsvollstreckungsverfahren sowie an OLG Hamburg v. 2.10.2007 – 5 W 99/07, BeckRS 2008, 7232; Abgrenzung zu OLG Frankfurt v. 12.7.2012 – 6 W 77/12, BeckRS 2012, 16601 sowie zu OLG Frankfurt v. 23.4.2019 – 6 W 20/19, BeckRS 2019, 11211).
(amtl.)

 

OLG Frankfurt 27.4.2023, 26 Sch 14/22
Anforderungen an einem Vermerk nach § 1054 Abs. 1 Satz 2 ZPO

Ein Vermerk ist i.S.d. § 1054 Abs. 1 Satz 2 ZPO dann formell ordnungsgemäß, wenn er die Tatsache des Fehlens der Unterschrift und deren Grund angibt, ohne dass dabei detaillierte Angaben erforderlich sind. Die bloße Angabe „signature could not be obtained“ ist insoweit nicht hinreichend, da daraus nur hervorgeht, dass eine Unterschrift nicht erlangt werden konnte, nicht aber, warum diese Unterschrift nicht erlangt werden konnte.
(amtl.)

 

OLG Stuttgart 29.3.2023, 20 Kap 3/17
Haftung wegen Verletzung der Ad-hoc-Publizitätspflicht hinsichtlich Umstände aus dem operativen Geschäftsbereich einer Beteiligungsgesellschaft durch eine Holdinggesellschaft (Porsche-Fall)

1. Sind mehrere börsennotierte Unternehmen von demselben Ereignis unmittelbar betroffen i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F., und liegen die sonstigen Voraussetzungen der Ad-hoc-Pflicht bei ihnen vor, so haben alle diese Unternehmen gesonderte Ad-hoc-Meldungen zu veröffentlichen.

2. Eine Holdinggesellschaft kann von Vorgängen aus der Sphäre einer Beteiligungsgesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 WpHG Satz a.F. auch dann unmittelbar betroffen sein, wenn diese Vorgänge ausschließlich die Geschäftstätigkeit der Beteiligungsgesellschaft betreffen. Die Frage, ob die Holdinggesellschaft von derartigen Vorgängen unmittelbar betroffen ist, ist anhand einer wertenden Betrachtung der Umstände des konkreten Einzelfalls zu beantworten. In diese wertende Betrachtung haben insb. Gesichtspunkte wie die Art der Unternehmensverbindung und die Bedeutung des jeweiligen Ereignisses für die Holding einzufließen.

3. Die Publizitätspflicht gem. § 15 WpHG a.F. setzt voraus, dass der Vorstand des Emittenten entweder Kenntnis von einer Insiderinformation hat oder dass ihm diese infolge der Verletzung von Wissensorganisationspflichten nicht bekannt ist.

4. Nehmen Anleger einen Emittenten gem. § 37b Abs. 1 WpHG a.F. auf Schadensersatz wegen der unterlassenen Veröffentlichung von Insiderinformationen in Anspruch, so haben die Anleger zu beweisen, dass der Emittent Kenntnis von den fraglichen Insiderinformationen hatte bzw. dass seine Nichtkenntnis auf der Verletzung von Wissensorganisationspflichten beruhte.

5. Die Haftung einer börsennotierten Gesellschaft gem. § 37b WpHG a.F. kann grundsätzlich nicht auf Wissen gestützt werden, das auf Seiten eines mit dieser Gesellschaft verbundenen Unternehmens lediglich deshalb fingiert wird, weil die Vorstandsmitglieder des verbundenen Unternehmens die fragliche Insiderinformation pflichtwidrig nicht kannten.

6. Hat eine Person, die sowohl Vorstandsmitglied einer Holdinggesellschaft als auch einer Beteiligungsgesellschaft ist, aus ihrer Tätigkeit für die Beteiligungsgesellschaft Wissen erlangt, so kann eine Haftung der Holdinggesellschaft gem. § 37b Abs. 1 WpHG a.F. grundsätzlich nicht auf dieses Wissen gestützt werden, wenn es im Verhältnis zur Beteiligungsgesellschaft der Verschwiegenheitspflicht unterliegt.

7. Eine Durchbrechung der Verschwiegenheitspflicht im Interesse einer einheitlichen Konzernleitung kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn eine Gesellschaft zwar über die nach § 17 Abs. 1 AktG für ein Abhängigkeitsverhältnis ausreichende Möglichkeit verfügt, herrschenden Einfluss auf das abhängige Unternehmen auszuüben, davon aber nicht durch einheitliche Leitung (§ 18 Abs. 1 AktG) Gebrauch macht. Ebenso wenig lassen ein etwaiger Informationsanspruch aus § 15 WpHG a.F. oder die Treuepflicht der Doppelvorstandsmitglieder die Verschwiegenheitspflicht entfallen.

8. Die Befugnis zur Weiterleitung von der Verschwiegenheitspflicht unterliegenden Informationen an eine andere Gesellschaft setzt grundsätzlich voraus, dass der Vorstand der Gesellschaft, der gegenüber das Doppelvorstandsmitglied zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, dieses davon entbunden hat.

9. Das Verbot der Weitergabe von Insiderinformationen gem. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. kann der Weiterleitung des im Rahmen der Tätigkeit für eine Beteiligungsgesellschaft erlangten Wissens eines Doppelvorstandsmitglieds an den Gesamtvorstand der Holdinggesellschaft entgegenstehen.
(alle amtl.)

 

FG Düsseldorf 6.6.2023, 13 K 84/22 E
Zur Behandlung des Verlusts aus der Veräußerung von Anleihen durch Alleingesellschafter einer GmbH

1. Der Verlust aus der Veräußerung von Anleihen durch den Kläger an eine GmbH, deren Alleingesellschafter er ist, unterliegt dem persönlichen Einkommensteuersatz.

2. Bei der Leistung erhöhter Zuzahlungen handelt es sich nicht um einen verschleierten Veräußerungstatbestand.

3. Es liegt keine unangemessene steuerliche Gestaltung nach § 42 AO vor, wenn Wertpapiere mit (überproportional) hohen stillen Lasten ausgestattet sind.
(alle nicht amtl.)

 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.09.2023 09:34
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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