Aktuell in der GmbHR

Zur Haftung des mittelbaren Geschäftsleiters einer Personengesellschaft (Leuering, GmbHR 2023, 945)

In seiner Entscheidung BGH vom 14.3.2023 – II ZR 162/21, GmbHR 2023, 603 konnte das Gericht eine grundlegende Frage zur Organhaftung des mittelbaren Geschäftsleiters einer KG klären, nämlich ob dieser auch dann haftet, wenn sich die geschäftsführende GmbH noch anderweitig unternehmerisch betätigt. Die Bejahung dieser Frage überzeugt, insbesondere wenn man das Konzernrecht der GmbH & Co. KG mit in den Blick nimmt. Zum Zweiten zeigt die Entscheidung, dass das Haftungskonzept des BGH nicht auf die typische GmbH & Co. KG beschränkt ist, sondern ganz generell für mittelbare Geschäftsleiter von Personengesellschaften Geltung beanspruchen kann.

I. Einleitung
1. Die mittelbare Geschäftsführung durch die geschäftsführende Gesellschafterin
2. Die Haftung des mittelbaren Geschäftsführers
II. Einordnung der vorliegenden Entscheidung
1. Grundsätzliche Kritik am Haftungskonzept
2. Haftung aus Geschäftsführerdienstvertrag und Organstellung?
3. Haftung des geschäftsführenden Kommanditisten
4. Haftung des Geschäftsführers einer sich auch anderweitig betätigenden geschäftsführenden GmbH
III. Fazit


I. Einleitung


1. Die mittelbare Geschäftsführung durch die geschäftsführende Gesellschafterin
1
Im Grundsatz gelten für die Geschäftsführung in der GmbH & Co. KG die allgemeinen Regeln des KG-Rechts. Der Komplementärin obliegt die Geschäftsführung nach §§ 114, 161 Abs. 2 HGB (ab 1.1.2024: §§ 116, 161 Abs. 2 HGB), die Kommanditisten sind von Gesetzes wegen von der Geschäftsführung ausgeschlossen, so § 164 Satz 1 HGB (ab 1.1.2024: § 164 HGB). Allerdings ist § 164 HGB dispositiv, im Gesellschaftsvertrag kann vorgesehen werden, dass – wie in der hier vorliegenden Entscheidung – ausschließlich eine Kommanditistin die Geschäfte der KG entsprechend § 116 HGB führt.

2
Ist die geschäftsführende Gesellschafterin – sei es die Komplementärin, sei es eine Kommanditistin – ihrerseits eine Gesellschaft, handelt sie durch ihre organschaftlichen Vertreter. Im Fall einer geschäftsführenden GmbH ist dies der Geschäftsführer (§ 35 GmbHG). Die GmbH & Co. KG nimmt damit organschaftlich vertreten durch ihre geschäftsführende Gesellschafterin, diese wiederum organschaftlich vertreten durch ihren Geschäftsführer, am Rechtsverkehr teil. Der GmbH-Geschäftsführer ist folglich mittelbarer Geschäftsführer der KG, aber nicht deren unmittelbares Organ.

2. Die Haftung des mittelbaren Geschäftsführers
3
Zwischen dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH und der KG besteht kein direktes rechtliches Band, weshalb der Geschäftsführer zunächst einmal unmittelbar nur der GmbH, nicht aber der KG verantwortlich ist. Verletzt der Geschäftsführer seine Pflichten und entsteht der KG ein Schaden, bestehen Ansprüche in erster Linie „über Bande“: Die GmbH haftet als geschäftsführende Gesellschafterin für diese Pflichtverletzungen im Rahmen der Geschäftsführertätigkeit aufgrund ihrer Gesellschafterstellung, wobei ihr das Verhalten ihrer organschaftlichen Vertreter nach § 31 BGB zugerechnet wird. Die GmbH hat wiederum einen Anspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG gegen den für die Pflichtverletzung verantwortlichen Geschäftsführer.

4
Dieses Haftungskonstrukt ist unproblematisch, wenn sämtliche Kommanditisten zugleich Gesellschafter der Komplementär-GmbH sind oder die Komplementär-GmbH ihren Anspruch gegen ihren Geschäftsführer an die Kommanditisten abtritt. Anders stellt sich dies aber dar, wenn die Gesellschafter beider Gesellschaften ganz oder teilweise unterschiedliche Personen sind und die GmbH-Gesellschafter den Anspruch aus § 43 GmbHG nicht geltend machen. Die KG müsste auf den GmbH-rechtlichen Organhaftungsanspruch gegen deren Geschäftsführer im Wege der Pfändung und Überweisung Zugriff nehmen, wenn sie aus ihrem Anspruch wegen der Verletzung der personengesellschaftsrechtlichen Geschäftsführerpflichten nach dessen Titulierung die Zwangsvollstreckung gegen die GmbH betreibt.

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Erstmals 1979 bejahte der BGH eine unmittelbare Haftung des Geschäftsführers gegenüber der KG, indem er dem Geschäftsführerdienstvertrag eine Schutzwirkung zugunsten der KG zusprach. Dass das Gericht an den Dienstvertrag anknüpfte, wurde in der Literatur als „wenig glücklich“ bezeichnet. Mittlerweile spricht der BGH auch der mit der Organstellung begründeten organschaftlichen Sonderrechtsbeziehung als solcher eine drittschützende Wirkung zu; die ganz h.M. folgt dem. Mit der Bestellung entsteht zwischen dem Geschäftsführer und der GmbH mit dem organschaftlichen Rechtsverhältnis ein gesetzliches Schuldverhältnis, auf das inhaltlich über den Verweis in § 27 Abs. 3 BGB das Auftragsrecht (§§ 662 ff. BGB) Anwendung findet. Bachmann beschreibt dieses Organverhältnis anschaulich als ein rechtsgeschäftlich begründetes und gesetzlich ausgestaltetes Band. Das Bestehen eines Dienstverhältnisses ist damit für die Organhaftung keine Voraussetzung mehr – hierauf ist zurückzukommen.

II. Einordnung der vorliegenden Entscheidung
6
Der BGH hat die Gelegenheit, eine grundlegende Frage der Organhaftung des mittelbaren Geschäftsleiters einer KG zu klären, nämlich ob dieser auch dann haftet, wenn sich die geschäftsführende GmbH anderweitig unternehmerisch betätigt (dazu unten Rz. 19 ff.). Bei der Gelegenheit kann der BGH auch erstmals aussprechen, dass ein Gleichlauf zwischen der Organhaftung einer geschäftsführenden Kommanditistin und einer geschäftsführenden Komplementärin besteht (unten Rz. 15 ff.). Ein wenig überraschend ist, dass das Gericht trotz der ausführlichen Begründung der Organhaftung des mittelbaren Geschäftsführers nicht auf die dagegen erhobene Kritik eingeht (unten Rz. 7 ff.). Mit seiner gewählten Zweispurigkeit von Haftung aus Vertrag und aus der Organstellung weicht das Gericht von seiner Rechtsprechung zur GmbH und AG ab (unten Rz. 12 ff.)

1. Grundsätzliche Kritik am Haftungskonzept
7
Zunächst einmal ist bemerkenswert, was der BGH nicht diskutiert. Einige Kritiker sehen bei dem Konzept einer Haftung des mittelbaren Geschäftsleiters einer KG aus dem Organverhältnis als Sonderrechtsbeziehung mit Schutzwirkung zugunsten ....
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 18.09.2023 12:32
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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