Aktuell in der GmbHR

Aktuelles zu gesetzlichen Stimmverboten -Überblick und Entwicklungen - zugleich Besprechung BGH, Urt. v. 8.8.2023 - II ZR 13/22 , GmbHR 2023, 1144 (Heckschen/Kreß, GmbHR 2024, 281)

Eines der wesentlichen Kernrechte eines GmbH-Gesellschafters ist sein Stimmrecht, durch welches er – je nach Umfang seiner Beteiligung – Einfluss auf Angelegenheiten der Gesellschaft nehmen kann. Dieses Stimmrecht kann allerdings aufgrund von schuldrechtlichen Vereinbarungen, mitgliedschaftsrechtlichen Bestimmungen oder gesetzlichen Regelungen eingeschränkt werden. Insbesondere die gesetzlichen Stimmrechtsverbote nach § 47 Abs. 4 GmbHG sind immer wieder Inhalt von höchstrichterlicher Rechtsprechung, so z.B. im jüngst ergangenen Urteil des BGH vom 8.8.2023 - II ZR 13/22. Bereits seit Inkrafttreten des Gesetzes wurden die Normen des GmbHG zu den Stimmverboten sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht immer weiter ausgelegt. Der nachfolgende Beitrag soll daher eine Übersicht über die aktuellen Entwicklungen in Rechtsprechung und Literatur geben, um so bestenfalls noch immer bestehende Unsicherheiten der Praxis hinsichtlich der Wirksamkeit der Stimmenabgabe zu beseitigen.

I. Überblick
1. Stimmrechtsbeschränkungen außerhalb der gesetzlichen Regelungen
2. Stimmrechtsbeschränkungen aufgrund von § 181 BGB
3. Stimmrechtsverbote nach § 47 Abs. 4 GmbHG
II. § 47 Abs. 4 GmbHG
1. Entlastung – § 47 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 GmbHG
2. Befreiung von einer Verbindlichkeit – § 47 Abs. 4 Satz 1 Alt. 2 GmbHG
3. Vornahme eines Rechtsgeschäfts – § 47 Abs. 4 Satz 2 Alt. 1 GmbHG
4. Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits – § 47 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 GmbHG
a) Überblick
b) BGH, Urt. v. 8.8.2023
aa) Sachverhalt
bb) Entscheidung
cc) Einordnung
III. Umgehung, Erweiterungen und Abdingbarkeit
1. Umgehung
2. Erweiterungen
3. Abdingbarkeit
a) Grundsätzliches
b) Gestaltungsmöglichkeiten
IV. Rechtsfolgen
1. § 47 Abs. 4 GmbHG
2. § 181 BGB
3. Schadensersatz
V. Fazit

I. Überblick

1. Stimmrechtsbeschränkungen außerhalb der gesetzlichen Regelungen

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Beschränkungen des Stimmrechts eines GmbH-Gesellschafters können sich zunächst aus der Satzung ergeben. So können durch eine vereinbarte Stimmgewichtung, eine Bestimmung, wonach nur eine bestimmte Höhe des Stammkapitals eine Stimme gewährt, oder durch vollumfängliche Stimmrechtsausschlüsse bzw. -beschränkungen Grenzen des Stimmrechts festgelegt werden.

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Auch außerhalb der Satzung besteht die Möglichkeit durch Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern, z.B. im Rahmen von Beteiligungs- und Gesellschaftervereinbarungen, oder auch mit Dritten, beispielsweise bei den durch die transparenzrechtlichen Regelungen nur noch eingeschränkt praxisrelevanten Treuhandverträgen, das Stimmrecht eines bestimmten Gesellschafters oder aller übrigen Gesellschafter einzuschränken, aber auch zu stärken. Häufiger werden, insbesondere bei Konsortien oder Familiengesellschaften aufgrund der Privilegierung des § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 ErbStG, Stimmbindungs- bzw. Poolverträge abgeschlossen. Hier handelt es sich um nicht rechtsfähige Innengesellschaften bürgerlichen Rechts. Nach Wirksamwerden des MoPeG sollte daher aufgrund der Regelung des § 740a BGB darauf geachtet werden, dass eine Fortsetzungsklausel bei dem Tod eines Beteiligten zwingend aufgenommen werden muss. Unwirksam sind dagegen in der Regel Stimmbindungsverträge mit Dritten, unter anderen in den Fällen, bei denen eine Vinkulierungsklausel umgangen wird, kartellrechtliche Gründe entgegenstehen oder wenn die Stimmen an Personen gebunden werden, die selbst einem Stimmrechtsausschluss unterliegen.

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Neben den schuldrechtlichen Vereinbarungen kann sich ein Stimmverbot auch aus der Treuepflicht des Gesellschafters ergeben, wonach die Gesellschafter untereinander zur angemessenen Rücksichtnahme verpflichtet sind. Von einer solchen Treuepflicht ist auszugehen, wenn der Gesellschafter verpflichtet ist, die Interessen der Gesellschaft und der Mitgesellschafter zu berücksichtigen, insbesondere diese nicht durch ein schädigendes Verhalten zu beinträchtigen. Treuwidrig abgegebene Stimmen sind nach ganz h.M. nichtig und dürfen von dem Versammlungsleiter nicht mitgezählt werden. Sollten Sie dennoch mitgezählt werden, ist der Beschluss entsprechend § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar.

2. Stimmrechtsbeschränkungen aufgrund von § 181 BGB
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Ein Stimmverbot kann sich aber auch aus den Bestimmungen des § 181 BGB ergeben, welcher für zahlreiche Beschlüsse bei einer GmbH Anwendung findet. So hatte sich erst im vergangenen Jahr der BGH mit diesem in der Praxis häufig vorkommenden Thema beschäftigt, der eigenen Geschäftsführerbestellung durch den Vertreter der Mutter-Gesellschaft.

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Nach Ansicht des Senats könne sich der Vorstand einer AG nicht ohne Weiteres selbst als Geschäftsführer einer Tochter-GmbH bestellen. § 181 BGB zielt zweckmäßig darauf ab, der Gefahr eines Interessenkonflikts zu begegnen und eine entsprechende Schädigung des Vertretenen durch die Durchsetzung eigener Interessen statt der des Vertretenen zu verhindern. Bei der Geschäftsführerbestellung handelt es sich um eine Willensbildung nach außen, welche gleichzeitig von dem Bestellten, in diesem Fall derselben Person, empfangen wird. Daher sei im konkreten Fall auch eine Umsetzung des Beschlusses mit Außenwirkung erfolgt. Eine solche Bestellung ist dementsprechend in den Anwendungsbereich des § 181 BGB einzubeziehen. Es hätte auch keine Rolle gespielt, dass sich das Vorstandsmitglied bei der Abstimmung durch einen Dritten hätte vertreten lassen, da ein solcher Umweg nicht zu einer Erweiterung seiner Vertretungsbefugnis führen würde.

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Offen sind nach dem dargestellten Urteil weitere Folgefragen für die Praxis. Unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe des BGH muss man auch bei anderen gesellschaftsrechtlichen Beschlüssen, z.B. der Abberufung der eigenen Person als Geschäftsführer, der Erteilung der Einzelvertretungsbefugnis für sich selbst oder der Bestellung als (einzelvertretungsberechtigter) Prokurist davon ausgehen, dass hier ein Verstoß gegen § 181 BGB vorliegt. Selbstverständlich lässt sich die Rechtsprechung auch rechtsformübergreifend auf alle ähnlichen Konzern-Konstellationen übertragen. In der Praxis sollte daher, mit Ausnahme der AG, der KGaA und der SE, in derartigen Konzernen darauf geachtet werden, dass das Vertretungsmitglied der Muttergesellschaft tatsächlich von § 181 BGB befreit ist. In den übrigen Fällen besteht lediglich die Möglichkeit der Bestellung eines weiteren Vertretungsmitglieds, welches dann bei der Beschlussfassung gegenüber dem Geschäftsführer der Tochtergesellschaft nicht den Grundsätzen des § 181 BGB unterliegt.

3. Stimmrechtsverbote nach § 47 Abs. 4 GmbHG
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Wie auch in anderen vergleichbaren Vorschriften findet auch bei einer GmbH der Grundgedanke Anwendung, dass ein Gesellschafter in bestimmten Sonderfällen in einen Konflikt gerät und zwischen den Interessen der Gesellschaft und den persönlichen Interessen entscheiden muss. Da ein Überwiegen der Individualinteressen nicht ausgeschlossen werden kann, wurden für bestimmte Fälle und zum Zweck der Sicherstellung einer Richtigkeitsgewähr der Willensbildung die Stimmverbote nach § 47 Abs. 4 GmbHG
normiert. Zudem soll der betroffene Gesellschafter durch die Normen von Anfang an nicht einem solchen Interessenkonflikt ausgesetzt sein.

II. § 47 Abs. 4 GmbHG

1. Entlastung – § 47 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 GmbHG

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Die erste Alternative betrifft zunächst die Entlastung, wobei hier die Vorschrift weit zu verstehen ist und jede Beschlussfassung erfasst sein soll, welche die Tätigkeit eines Gesellschafters als Geschäftsführer, Liquidator, Beiratsmitglied oder vergleichbare Ämter (nachträglich) inhaltlich billigt. Sinn und Zweck der Norm ist das Verhindern eines „Richtens in eigener Sache“. Die Grenze ist nach h.M. da zu ziehen, wo der Beschluss nicht selbst...

 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 19.03.2024 11:26
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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