18 / 2019

Dipl.-Finw. (FH) Nico Schley

Reform der Grundsteuer – Was lange währt, wird gut?

In der Vergangenheit wurde bereits mehrfach der Versuch unternommen, die Grundsteuer zu reformieren, was in Anbetracht des Umstands, dass sich die der Grundsteuer zugrunde liegenden Einheitswerte nach den Wertverhältnissen des Jahres 1964 (alte Bundesländer) bzw. 1935 (neue Bundesländer) bemessen, nicht weiter verwundert. Sämtliche Initiativen sind bislang jedoch aufgrund der fehlenden politischen Einigungsbereitschaft gescheitert. So musste das BVerfG der Politik auf die Sprünge helfen, indem es mit Urteil vom 10.4.2018 – 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12, DStR 2018, 791 die Vorschriften zur Einheitsbewertung für verfassungswidrig erklärte und dem Gesetzgeber aufgab, bis zum 31.12.2019 eine verfassungskonforme Neuregelung zu verabschieden. Wird diese Hürde genommen, können die bisherigen Regelungen noch bis zum 31.12.2024 weiter angewendet werden, bevor die Neuregelungen ab dem 1.1.2025 in Kraft treten müssen.

Am 21.6.2019 hat die Bundesregierung ein entsprechendes Grundsteuer-Reformgesetz beschlossen, das am 27.6.2019 in den Bundestag eingebracht worden ist. Ferner sollen die Kommunen zukünftig die Möglichkeit haben, in Gebieten mit besonderem Wohnraumbedarf baureife unbebaute Grundstücke durch erhöhte Hebesätze für eine Wohnbebauung zu mobilisieren. Flankiert werden diese Regelungen durch eine Änderung des Grundgesetzes, die dem Bund die konkurrierende Gesetzgebung für die Grundsteuer zuweist und den Ländern eine sog. Öffnungsklausel einräumt, die es ihnen ermöglicht, abweichende Grundsteuermodelle zu erlassen.

Wenn die entsprechenden Gesetzentwürfe bis Jahresende in Kraft treten, werden Grundstückseigentümer und Verwaltung vor der Aufgabe stehen, in den nächsten Jahren ca. 36 Mio. wirtschaftliche Einheiten neu zu bewerten (!).


Bedeutung der Grundsteuer für die Kommunen

Das Aufkommen der Grundsteuer beträgt derzeit etwa 15 Mrd. Euro. Gemessen am Gesamtsteueraufkommen des Staats sind dies zwar lediglich ca. 2 %, jedoch steht das Aufkommen der Grundsteuer ausschließlich den Kommunen zu, die zudem bekanntlich über eine Hebesatzautonomie verfügen. Auf Ebene der Kommunen macht die Grundsteuer daher mehr als 20 % der Steuereinnahmen aus. Neben der Gewerbesteuer handelt es sich damit um die wichtigste Einnahmequelle der Gemeinden (Marx, DStZ 2019, 372). Gegenüber der Gewerbesteuer hat die Grundsteuer allerdings den Vorteil, dass sie konjunkturunabhängig ist und den Gemeinden damit eine verlässliche und planbare Einnahmequelle verschafft.

In Anbetracht dieser immensen Bedeutung der Grundsteuer für die Gemeinden dürfte wohl davon ausgegangen werden können, dass der Gesetzgeber – trotz aller politischen Grabenkämpfe der letzten Monate – die vom BVerfG gesetzte Frist unter keinen Umständen verstreichen lassen wird und bis Jahresende eine entsprechende Neuregelung verabschieden wird. Andernfalls könnte die Grundsteuer ab dem Jahr 2020 nicht mehr erhoben werden.


Wesentliche Zielsetzungen der Neuregelungen

Die Neuregelungen sollen natürlich zunächst einmal die zwingenden Vorgaben des BVerfG umsetzen und grundrechtskonform ausgestaltet werden (Urteil des BVerfG v. 10.4.2018 – 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12, DStR 2018, 791). Die Neuregelungen sollen ausweislich der Gesetzesbegründungen jedoch nicht zu einer „strukturellen Erhöhung des Grundsteueraufkommens“ führen. Vielmehr sei die Reform insgesamt – für die Gesamtheit der Steuerzahler – „aufkommensneutral“ ausgestaltet. Ungeachtet dessen werden zukünftig einzelne Steuerzahler mehr, andere weniger Grundsteuer zahlen müssen (vgl. www.bundesfinanzministerium.de, Die neue Grundsteuer – Fragen und Antworten).

Da die Höhe der Grundsteuer jedoch maßgeblich von der Höhe des entsprechenden Hebesatzes der Gemeinde abhängig ist, auf die der Reformgesetzgeber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten Hebesatzautonomie der Gemeinden keinen Einfluss hat, wird bereits in der Gesetzesbegründung an die Gemeinden appelliert, „die aus der Neubewertung des Grundbesitzes resultierenden Belastungsverschiebungen durch eine gegebenenfalls erforderliche Anpassung (gemeint ist Absenkung; Anm. des Verfassers) des Hebesatzes auszugleichen“ (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 19/11085).

Wenn die Neubewertung des Grundvermögens unter Anwendung des bisherigen Hebesatzes der Gemeinden zu einem höheren Grundsteueraufkommen führt, dürfte angesichts vieler leerer Gemeindekassen und entsprechender Haushaltssicherungskonzepte sehr fraglich sein, ob dieser Appell Gehör findet und sich in den betreffenden Gemeinden eine politische Mehrheit für die Absenkung des Grundsteuer-Hebesatzes finden wird.


Wesentliche Änderungen bei der Ermittlung der Grundsteuer

Die grundlegende Systematik der Grundsteuerberechnung wird auch nach Verabschiedung der Gesetzesentwürfe erhalten bleiben. Die Grundsteuer berechnet sich auch zukünftig wie folgt:

Wert des Grundstücks (zukünftig „Grundsteuerwert“ statt Einheitswert) multipliziert mit der Steuermesszahl (vom Gesetzgeber festgelegt) multipliziert mit dem Hebesatz (durch die betreffende Gemeinde festgelegt), vereinfacht:

Wert x Steuermesszahl x Hebesatz

Kernstück der Neuregelungen ist die Einführung eines siebten Abschnitts in das Bewertungsgesetz (BewG), der die Bewertung des Grundbesitzes für die Grundsteuer ab dem 1.1.2022 (erster Hauptfeststellungszeitpunkt) regelt (vgl. §§ 218 bis 266 BewG-E). Hierbei handelt es sich um ein eigenständiges Bewertungsverfahren ausschließlich für Zwecke der Grundsteuer. Grundstücke außerhalb von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben werden in Abhängigkeit von der Grundstücksart wie folgt bewertet (eingehend zu den neuen Bewertungsvorschriften Eisele, NWB 2019, 2043, 2127 und 2204, Hubert, StuB 2019, 533, Marx, DStZ 2019, 372 und Wünsche, BB 2019, 1821):

  • Unbebaute Grundstücke: Fläche x Bodenrichtwert

  • Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke und Wohnungseigentum: Ertragswertverfahren

  • Geschäftsgrundstücke, gemischt genutzte Grundstücke, Teileigentum und sonstige bebaute Grundstücke: Sachwertverfahren

Im Rahmen des Ertragswertverfahrens wird auf den marktüblich erzielbaren Ertrag abgestellt und die durchschnittliche statistische Nettokaltmiete ermittelt. Ob eine solche Miete auch tatsächlich erzielt wird, ist unerheblich, so dass z.B. auch der Grundsteuerwert von selbstgenutzten Einfamilienhäusern nach dem Ertragswertverfahren ermittelt wird (Sollertragsbesteuerung).

Im Sachwertverfahren werden diejenigen Grundstücke bewertet, bei denen es für eine Werteinschätzung nicht in erster Linie auf den Ertrag ankommt sowie solche, für die keine statistisch ermittelbaren durchschnittlichen Erträge existieren. Hierunter fallen insbesondere Geschäftsgrundstücke. Hierbei handelt es sich um Grundstücke, die zu mehr als 80 % nach der Wohn- und Nutzfläche eigenen oder fremden betrieblichen (gewerblichen, freiberuflichen) oder öffentlichen Zwecken dienen (§ 249 Abs. 7 BewG-E).

Der Sachwert setzt sich aus dem Bodenrichtwert und dem Gebäudesachwert zusammen. Der Gebäudesachwert berechnet sich wie folgt: Normalherstellungskosten x Baupreisindex x Brutto-Grundfläche = Gebäudenormalherstellungskosten ./. Alterswertminderung (§ 259 BewG-E) = Gebäudesachwert. Bauliche Anlagen, Außenanlagen und der Wert der sonstigen Anlagen sind mit dem Gebäudewert und dem Bodenwert abgegolten (§ 258 Abs. 3 BewG-E). Die tatsächlichen Herstellungskosten finden bei dieser pauschalierten Berechnung keine Berücksichtigung.

Zwar wird darauf verwiesen, dass das Sachwertverfahren deutlich einfacher werden soll als bislang, indem zahlreiche bisher erforderliche Angaben entfallen (z.B. Höhe des Gebäudes, Heizungsart und Art der Verglasung der Fenster, vgl. www.bundesfinanzministerium.de, Die neue Grundsteuer – Fragen und Antworten), jedoch dürfte die Anwendung des Sachwertverfahrens vermutlich deutlich aufwendiger sein als vom Gesetzgeber kommuniziert (Wünsche, BB 2019, 1821, 1825).

Die Neubewertung des Grundvermögens wird – unabhängig vom konkreten Bewertungsverfahren – zu wesentlich höheren Grundstückswerten führen als die bisherigen Einheitswerte, die nicht die aktuellen Wertverhältnisse wiedergeben, sondern den Wertverhältnissen von 1964 bzw. 1935 entsprechen. Als Ausgleich für den deutlichen Anstieg der Grundstückswerte will der Reformgesetzgeber die Steuermesszahl deutlich auf etwa 1/10 des bisherigen Werts, das heißt von 0,35 % auf 0,034 % senken (vgl. www.bundesfinanzministerium.de, Die neue Grundsteuer – Fragen und Antworten). Ob die Absenkung der Steuermesszahl indes dazu führen wird, einen Anstieg der Grundsteuer zu vermeiden, ist maßgeblich davon abhängig, ob auch die betreffenden Gemeinden ihre Hebesätze senken, wenn sich unter Anwendung des neuen Rechts eine deutlich höhere Bemessungsgrundlage als bisher ergibt.


Fazit

Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch völlig offen, welche Grundstückseigentümer unter Anwendung der Neuregelungen mehr oder weniger Grundsteuer zahlen werden. Tendenziell sollten sich jedoch Eigentümer von hochpreisigen Immobilien in begehrten Lagen auf eine höhere Grundsteuerbelastung einstellen. Darüber hinaus dürfte auch davon auszugehen sein, dass die Gemeinden sicherlich nicht weniger Grundsteueraufkommen generieren wollen als bislang und es im Zweifel auch ruhig „etwas mehr sein darf“. Es darf also bezweifelt werden, dass die Grundsteuerreform insgesamt aufkommensneutral ausfallen wird.

Bevor jedoch die ersten Grundsteuerbescheide nach neuem Recht ergehen werden, steht den Grundstückseigentümern und der Verwaltung noch eine Mammutaufgabe ins Haus, wenn in den nächsten Jahren 36 Mio. wirtschaftliche Einheiten neu bewertet werden sollen. Insbesondere die etwa 12 Mio. nach dem Sachwertverfahren zu bewertenden Grundstücke (vor allem Geschäftsgrundstücke) werden erhebliche zeitliche und finanzielle Ressourcen binden. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucks. 19/11085) geht im Zeitraum 2022 bis 2028 für die Steuerzahler von einem jährlichen Erfüllungsaufwand von rund 2,1 Mio. Stunden aus (!).

Darüber hinaus dürfte mit Spannung zu erwarten sein, ob und gegebenenfalls wie viele Bundesländer von der im Grundgesetz verankerten Öffnungsklausel Gebrauch machen und ein abweichendes Grundsteuermodell einführen werden. Es bleibt dem Rechtsanwender hoffentlich erspart, sich im Bereich der Grundsteuer mit einer Vielzahl von unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen und Bewertungsverfahren auseinandersetzen zu müssen.

Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 08.10.2019 10:40